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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9).

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lande Australiens, in Großbritannien, dessen Einwohner seit der
Zeiten der Tudors und Stuarts dem Staate keine Befugnisse ein-
räumten in ihre persönlichen Angelegenheiten. Der Engländer,
dessen höchster Stolz die persönliche Freiheit war, der als Typus
des freien Mannes bei allen Nationen Europas galt, er mußte
die gesetzliche Einführung obligatorischer Wehrpflicht über sich er-
gehen lassen, die wohl die schlimmste Vergewaltigung persönlicher
Freiheit bedeutet. Das geschah im freien England, wo noch die
Frauen politisch rechtlos waren und deshalb keinerlei Einfluß auf
die Abstimmung über die Einführung obligatorischer Wehrpflicht
ausüben konnten.

Auch das zweite Mal während dieses Krieges, wo der politisch
gleichberechtigten Frau Gelegenheit gegeben war, ihren Einfluß
zu betätigen, gab sie ihre Stimme gegen den Krieg ab. Es war im
Senat zu Washington bei der Abstimmung über die Kriegserklärung
an die Mittelmächte. Aller Augen waren mit Spannung auf das
einzige weibliche Mitglied Miß Rankin gerichtet, die erst seit
wenigen Monaten dem Hause angehörte. Bei der Stimmung, die
herrschte, kam zu dem Neuen und Ungewohnten für Miß Rankin
die selbst für einen charakterfesten, überzeugungstreuen Menschen
unangenehme Lage, eine Sonderstellung gegen eine begeisterte
Mehrheit zu behaupten. Miß Rankin folgte nur ihrem inneren
Drange und erklärte, als die Reihe der Abstimmung an sie kam:
"Jch will meinem Vaterlande dienen, aber ich kann nicht für diesen
Krieg stimmen." Die Stimme einer Frau konnte an dem Ausfall
der Abstimmung leider nichts ändern, aber diese eine in so er-
schwerter Lage abgegebene Stimme ist wiederum ein lebendiger
Beweis für das in dieser Schrift wiederholt charakterisierte Ver-
halten der Frauen zum Kriege.

Die Regierungen der am Kriege beteiligten Nationen werden
auch nach dieser, die Welt erschütternden Katastrophe mit neuen
Rüstungsforderungen für Heer und Marine und anderen kriege-
rischen Vorlagen an die Parlamente herantreten, da es schwerlich
gelingen wird, dergleichen durch bindende internationale Ab-

lande Australiens, in Großbritannien, dessen Einwohner seit der
Zeiten der Tudors und Stuarts dem Staate keine Befugnisse ein-
räumten in ihre persönlichen Angelegenheiten. Der Engländer,
dessen höchster Stolz die persönliche Freiheit war, der als Typus
des freien Mannes bei allen Nationen Europas galt, er mußte
die gesetzliche Einführung obligatorischer Wehrpflicht über sich er-
gehen lassen, die wohl die schlimmste Vergewaltigung persönlicher
Freiheit bedeutet. Das geschah im freien England, wo noch die
Frauen politisch rechtlos waren und deshalb keinerlei Einfluß auf
die Abstimmung über die Einführung obligatorischer Wehrpflicht
ausüben konnten.

Auch das zweite Mal während dieses Krieges, wo der politisch
gleichberechtigten Frau Gelegenheit gegeben war, ihren Einfluß
zu betätigen, gab sie ihre Stimme gegen den Krieg ab. Es war im
Senat zu Washington bei der Abstimmung über die Kriegserklärung
an die Mittelmächte. Aller Augen waren mit Spannung auf das
einzige weibliche Mitglied Miß Rankin gerichtet, die erst seit
wenigen Monaten dem Hause angehörte. Bei der Stimmung, die
herrschte, kam zu dem Neuen und Ungewohnten für Miß Rankin
die selbst für einen charakterfesten, überzeugungstreuen Menschen
unangenehme Lage, eine Sonderstellung gegen eine begeisterte
Mehrheit zu behaupten. Miß Rankin folgte nur ihrem inneren
Drange und erklärte, als die Reihe der Abstimmung an sie kam:
„Jch will meinem Vaterlande dienen, aber ich kann nicht für diesen
Krieg stimmen.“ Die Stimme einer Frau konnte an dem Ausfall
der Abstimmung leider nichts ändern, aber diese eine in so er-
schwerter Lage abgegebene Stimme ist wiederum ein lebendiger
Beweis für das in dieser Schrift wiederholt charakterisierte Ver-
halten der Frauen zum Kriege.

Die Regierungen der am Kriege beteiligten Nationen werden
auch nach dieser, die Welt erschütternden Katastrophe mit neuen
Rüstungsforderungen für Heer und Marine und anderen kriege-
rischen Vorlagen an die Parlamente herantreten, da es schwerlich
gelingen wird, dergleichen durch bindende internationale Ab-

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[30/0029] lande Australiens, in Großbritannien, dessen Einwohner seit der Zeiten der Tudors und Stuarts dem Staate keine Befugnisse ein- räumten in ihre persönlichen Angelegenheiten. Der Engländer, dessen höchster Stolz die persönliche Freiheit war, der als Typus des freien Mannes bei allen Nationen Europas galt, er mußte die gesetzliche Einführung obligatorischer Wehrpflicht über sich er- gehen lassen, die wohl die schlimmste Vergewaltigung persönlicher Freiheit bedeutet. Das geschah im freien England, wo noch die Frauen politisch rechtlos waren und deshalb keinerlei Einfluß auf die Abstimmung über die Einführung obligatorischer Wehrpflicht ausüben konnten. Auch das zweite Mal während dieses Krieges, wo der politisch gleichberechtigten Frau Gelegenheit gegeben war, ihren Einfluß zu betätigen, gab sie ihre Stimme gegen den Krieg ab. Es war im Senat zu Washington bei der Abstimmung über die Kriegserklärung an die Mittelmächte. Aller Augen waren mit Spannung auf das einzige weibliche Mitglied Miß Rankin gerichtet, die erst seit wenigen Monaten dem Hause angehörte. Bei der Stimmung, die herrschte, kam zu dem Neuen und Ungewohnten für Miß Rankin die selbst für einen charakterfesten, überzeugungstreuen Menschen unangenehme Lage, eine Sonderstellung gegen eine begeisterte Mehrheit zu behaupten. Miß Rankin folgte nur ihrem inneren Drange und erklärte, als die Reihe der Abstimmung an sie kam: „Jch will meinem Vaterlande dienen, aber ich kann nicht für diesen Krieg stimmen.“ Die Stimme einer Frau konnte an dem Ausfall der Abstimmung leider nichts ändern, aber diese eine in so er- schwerter Lage abgegebene Stimme ist wiederum ein lebendiger Beweis für das in dieser Schrift wiederholt charakterisierte Ver- halten der Frauen zum Kriege. Die Regierungen der am Kriege beteiligten Nationen werden auch nach dieser, die Welt erschütternden Katastrophe mit neuen Rüstungsforderungen für Heer und Marine und anderen kriege- rischen Vorlagen an die Parlamente herantreten, da es schwerlich gelingen wird, dergleichen durch bindende internationale Ab-

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Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9), S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/29>, abgerufen am 22.11.2024.