Da also diese physiologische Theorie der Nachbilder zur Erklärung des Lichthofes nicht ausreicht, so pflegt man letzteren "psychologisch" zu erklären. So sagt Helmholtz in seiner physiologischen Optik S. 360: "Es kann das negative Nachbild sogar im ganz dunklen Gesichtsfelde sichtbar werden, indem es hier als eine Verminderung der Helligkeit des Eigenlichtes der Netzhaut erscheint. In der Regel erscheint dann dieses Eigenlicht selbst in der nächsten Umgebung des dunklen Nachbildes durch Contrast mit diesem etwas heller". Helmholtz nimmt also den Lichthof des dunklen Nachbildes für eine Folge des simultanen Contrastes, und da er diesen rein psychologisch, d. h. aus einer Urtheilstäuschung erklärt, so bot sich ihm für eine eigentliche Untersuchung des Phänomens kein Anlaß.
Mir ist dagegen dieser Lichthof als eine durchaus ebenso merkwürdige Thatsache erschienen, wie das negative Nachbild selbst, und ich habe mich mit jener psychologischen Erklärung umsoweniger begnügen können, als man ganz mit demselben Rechte auch das negative Nachbild selbst psychologisch erklären, d. h. sagen könnte, die relative Dunkelheit des Nachbildes sei die Folge davon, daß man die Helligkeit dieser Stelle im Ver- gleich zu ihrer früheren viel größeren Helligkeit unterschätze.
Für mich würde übrigens die psychologische Erklärung des erwähnten Lichthofes aus dem simultanen Contraste schon des- halb hinfällig sein, weil ich den Hof des Nachbildes auch dann sehe, wenn das letztere eben einmal gar nicht dunkler ist als der Grund überhaupt, obwohl es dunkler ist als der Hof. Aber angenommen, Andere könnten diese nur unter besonderen Um- ständen auftretende Erscheinung nicht sogleich bestätigen, so ist doch überhaupt nicht einzusehen, warum, wenn es sich nur um ein falsches Urtheil handelte, dieses Urtheil uns nur über den Helligkeitsgrad der nächsten Umgebung des Nachbildes und nicht über den des ganzen Grun- des überhaupt täuschen sollte. Die ganz gesetzmässige räumliche Begrenzung, innerhalb welcher sich das angebliche falsche Urtheil äußert, sollte, so meine ich, denn doch dazu auffordern, auch nach örtlichen Ursachen zu suchen und nicht gleich zum Übersinnlichen seine Zuflucht zu nehmen, das heißt auf jede wirkliche Erklärung zu verzichten.
Da also diese physiologische Theorie der Nachbilder zur Erklärung des Lichthofes nicht ausreicht, so pflegt man letzteren „psychologisch“ zu erklären. So sagt Helmholtz in seiner physiologischen Optik S. 360: „Es kann das negative Nachbild sogar im ganz dunklen Gesichtsfelde sichtbar werden, indem es hier als eine Verminderung der Helligkeit des Eigenlichtes der Netzhaut erscheint. In der Regel erscheint dann dieses Eigenlicht selbst in der nächsten Umgebung des dunklen Nachbildes durch Contrast mit diesem etwas heller“. Helmholtz nimmt also den Lichthof des dunklen Nachbildes für eine Folge des simultanen Contrastes, und da er diesen rein psychologisch, d. h. aus einer Urtheilstäuschung erklärt, so bot sich ihm für eine eigentliche Untersuchung des Phänomens kein Anlaß.
Mir ist dagegen dieser Lichthof als eine durchaus ebenso merkwürdige Thatsache erschienen, wie das negative Nachbild selbst, und ich habe mich mit jener psychologischen Erklärung umsoweniger begnügen können, als man ganz mit demselben Rechte auch das negative Nachbild selbst psychologisch erklären, d. h. sagen könnte, die relative Dunkelheit des Nachbildes sei die Folge davon, daß man die Helligkeit dieser Stelle im Ver- gleich zu ihrer früheren viel größeren Helligkeit unterschätze.
Für mich würde übrigens die psychologische Erklärung des erwähnten Lichthofes aus dem simultanen Contraste schon des- halb hinfällig sein, weil ich den Hof des Nachbildes auch dann sehe, wenn das letztere eben einmal gar nicht dunkler ist als der Grund überhaupt, obwohl es dunkler ist als der Hof. Aber angenommen, Andere könnten diese nur unter besonderen Um- ständen auftretende Erscheinung nicht sogleich bestätigen, so ist doch überhaupt nicht einzusehen, warum, wenn es sich nur um ein falsches Urtheil handelte, dieses Urtheil uns nur über den Helligkeitsgrad der nächsten Umgebung des Nachbildes und nicht über den des ganzen Grun- des überhaupt täuschen sollte. Die ganz gesetzmässige räumliche Begrenzung, innerhalb welcher sich das angebliche falsche Urtheil äußert, sollte, so meine ich, denn doch dazu auffordern, auch nach örtlichen Ursachen zu suchen und nicht gleich zum Übersinnlichen seine Zuflucht zu nehmen, das heißt auf jede wirkliche Erklärung zu verzichten.
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Da also diese physiologische Theorie der Nachbilder zur
Erklärung des Lichthofes nicht ausreicht, so pflegt man letzteren
„psychologisch“ zu erklären. So sagt Helmholtz in seiner
physiologischen Optik S. 360: „Es kann das negative Nachbild
sogar im ganz dunklen Gesichtsfelde sichtbar werden, indem es
hier als eine Verminderung der Helligkeit des Eigenlichtes der
Netzhaut erscheint. In der Regel erscheint dann dieses Eigenlicht
selbst in der nächsten Umgebung des dunklen Nachbildes durch
Contrast mit diesem etwas heller“. Helmholtz nimmt also den
Lichthof des dunklen Nachbildes für eine Folge des simultanen
Contrastes, und da er diesen rein psychologisch, d. h. aus einer
Urtheilstäuschung erklärt, so bot sich ihm für eine eigentliche
Untersuchung des Phänomens kein Anlaß.
Mir ist dagegen dieser Lichthof als eine durchaus ebenso
merkwürdige Thatsache erschienen, wie das negative Nachbild
selbst, und ich habe mich mit jener psychologischen Erklärung
umsoweniger begnügen können, als man ganz mit demselben
Rechte auch das negative Nachbild selbst psychologisch erklären,
d. h. sagen könnte, die relative Dunkelheit des Nachbildes sei
die Folge davon, daß man die Helligkeit dieser Stelle im Ver-
gleich zu ihrer früheren viel größeren Helligkeit unterschätze.
Für mich würde übrigens die psychologische Erklärung des
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halb hinfällig sein, weil ich den Hof des Nachbildes auch dann
sehe, wenn das letztere eben einmal gar nicht dunkler ist als
der Grund überhaupt, obwohl es dunkler ist als der Hof. Aber
angenommen, Andere könnten diese nur unter besonderen Um-
ständen auftretende Erscheinung nicht sogleich bestätigen, so
ist doch überhaupt nicht einzusehen, warum, wenn es sich nur
um ein falsches Urtheil handelte, dieses Urtheil uns nur
über den Helligkeitsgrad der nächsten Umgebung
des Nachbildes und nicht über den des ganzen Grun-
des überhaupt täuschen sollte. Die ganz gesetzmässige
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die z… [mehr]
Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die zweite, unveränderte Auflage von 1878 zugrunde gelegt. Diese enthält Herings insgesamt sechs zwischen 1872 und 1876 erschienenen "Mittheilungen" "Zur Lehre vom Lichtsinne" aus den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften in Wien, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse.
Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/15>, abgerufen am 16.07.2024.
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