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Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

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habe, die D-Ermüdungen von den A-Ermüdungen etc. Erst
durch diese Auffassung kommt meiner Ansicht nach Zusammen-
hang in zahlreiche Sätze der Physiologie überhaupt und insbe-
sondere der Nerven- und Muskelphysiologie, so wie etwas Licht
in die Erscheinungen des psychischen Lebens.

Was nun die Licht- und Farbenlehre insbesondere betrifft,
so ist zuerst das auf die innere Ähnlichkeit der Empfindungen
gegründete natürliche System der Gesichtsempfindungen zu be-
tonen, worin jeder Empfindung ihre Stelle bestimmt ist durch
das Verhältniß, in welchem die sechs Grundempfindungen (deren
mehrere unter der Schwelle sein können) gleichsam gemischt
erscheinen; ferner die Gruppirung der sechs Grundempfindungen
zu drei Paaren von Gegenfarben.

Hieran reiht sich als fundamental wichtig die Auffassung
der Gesichtsempfindungen als des psychischen Correlates der Er-
nährungsvorgänge oder des Stoffwechsels in der Sehsubstanz,
welche Auffassung zur Unterscheidung von D- und A-Empfin-
dungen, und weiter zu dem Satze führt, daß jede D-Empfindung
eine Abnahme, jede A-Empfindung eine Zunahme der Sehsub-
stanz bedeutet. Entsprechend den drei Paaren einfacher oder
Grundempfindungen werden drei Arten des Dissimilirungs- und
Assimilirungsprocesses der Sehsubstanz und drei Arten specifischer
A- und D-Erregbarkeit angenommen. Die Farblosigkeit des
aus "complementären" Lichtarten gemischten Lichtes wird aus
dem antagonistischen Verhalten solcher Lichtarten erklärt.

Zum ersten Male wird ferner methodisch und umfassend
der Nachweis geführt, daß die einzelnen Theile des nervösen
Sehorganes in inniger functioneller Wechselbeziehung stehen,
welche Wechselbeziehung als eine gegenseitige Beeinflussung des
Stoffwechsels aufgefaßt wird, derart, daß wenn [Formel 1] an einer ge-
reizten Stelle größer wird, es in der Umgebung kleiner wird
und umgekehrt, so daß nach der Reizung beide Theile in ent-
gegengesetztem Sinne in ihrer Erregbarkeit verändert sind.

Diese Sätze und ihre Folgerungen boten nun zwar die
Möglichkeit, jede der erwähnten Erscheinungen zu erklären, aber
es zeigte sich dabei, daß öfters für eine und dieselbe Erscheinung

habe, die D-Ermüdungen von den A-Ermüdungen etc. Erst
durch diese Auffassung kommt meiner Ansicht nach Zusammen-
hang in zahlreiche Sätze der Physiologie überhaupt und insbe-
sondere der Nerven- und Muskelphysiologie, so wie etwas Licht
in die Erscheinungen des psychischen Lebens.

Was nun die Licht- und Farbenlehre insbesondere betrifft,
so ist zuerst das auf die innere Ähnlichkeit der Empfindungen
gegründete natürliche System der Gesichtsempfindungen zu be-
tonen, worin jeder Empfindung ihre Stelle bestimmt ist durch
das Verhältniß, in welchem die sechs Grundempfindungen (deren
mehrere unter der Schwelle sein können) gleichsam gemischt
erscheinen; ferner die Gruppirung der sechs Grundempfindungen
zu drei Paaren von Gegenfarben.

Hieran reiht sich als fundamental wichtig die Auffassung
der Gesichtsempfindungen als des psychischen Correlates der Er-
nährungsvorgänge oder des Stoffwechsels in der Sehsubstanz,
welche Auffassung zur Unterscheidung von D- und A-Empfin-
dungen, und weiter zu dem Satze führt, daß jede D-Empfindung
eine Abnahme, jede A-Empfindung eine Zunahme der Sehsub-
stanz bedeutet. Entsprechend den drei Paaren einfacher oder
Grundempfindungen werden drei Arten des Dissimilirungs- und
Assimilirungsprocesses der Sehsubstanz und drei Arten specifischer
A- und D-Erregbarkeit angenommen. Die Farblosigkeit des
aus „complementären“ Lichtarten gemischten Lichtes wird aus
dem antagonistischen Verhalten solcher Lichtarten erklärt.

Zum ersten Male wird ferner methodisch und umfassend
der Nachweis geführt, daß die einzelnen Theile des nervösen
Sehorganes in inniger functioneller Wechselbeziehung stehen,
welche Wechselbeziehung als eine gegenseitige Beeinflussung des
Stoffwechsels aufgefaßt wird, derart, daß wenn [Formel 1] an einer ge-
reizten Stelle größer wird, es in der Umgebung kleiner wird
und umgekehrt, so daß nach der Reizung beide Theile in ent-
gegengesetztem Sinne in ihrer Erregbarkeit verändert sind.

Diese Sätze und ihre Folgerungen boten nun zwar die
Möglichkeit, jede der erwähnten Erscheinungen zu erklären, aber
es zeigte sich dabei, daß öfters für eine und dieselbe Erscheinung

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[139/0147] habe, die D-Ermüdungen von den A-Ermüdungen etc. Erst durch diese Auffassung kommt meiner Ansicht nach Zusammen- hang in zahlreiche Sätze der Physiologie überhaupt und insbe- sondere der Nerven- und Muskelphysiologie, so wie etwas Licht in die Erscheinungen des psychischen Lebens. Was nun die Licht- und Farbenlehre insbesondere betrifft, so ist zuerst das auf die innere Ähnlichkeit der Empfindungen gegründete natürliche System der Gesichtsempfindungen zu be- tonen, worin jeder Empfindung ihre Stelle bestimmt ist durch das Verhältniß, in welchem die sechs Grundempfindungen (deren mehrere unter der Schwelle sein können) gleichsam gemischt erscheinen; ferner die Gruppirung der sechs Grundempfindungen zu drei Paaren von Gegenfarben. Hieran reiht sich als fundamental wichtig die Auffassung der Gesichtsempfindungen als des psychischen Correlates der Er- nährungsvorgänge oder des Stoffwechsels in der Sehsubstanz, welche Auffassung zur Unterscheidung von D- und A-Empfin- dungen, und weiter zu dem Satze führt, daß jede D-Empfindung eine Abnahme, jede A-Empfindung eine Zunahme der Sehsub- stanz bedeutet. Entsprechend den drei Paaren einfacher oder Grundempfindungen werden drei Arten des Dissimilirungs- und Assimilirungsprocesses der Sehsubstanz und drei Arten specifischer A- und D-Erregbarkeit angenommen. Die Farblosigkeit des aus „complementären“ Lichtarten gemischten Lichtes wird aus dem antagonistischen Verhalten solcher Lichtarten erklärt. Zum ersten Male wird ferner methodisch und umfassend der Nachweis geführt, daß die einzelnen Theile des nervösen Sehorganes in inniger functioneller Wechselbeziehung stehen, welche Wechselbeziehung als eine gegenseitige Beeinflussung des Stoffwechsels aufgefaßt wird, derart, daß wenn [FORMEL] an einer ge- reizten Stelle größer wird, es in der Umgebung kleiner wird und umgekehrt, so daß nach der Reizung beide Theile in ent- gegengesetztem Sinne in ihrer Erregbarkeit verändert sind. Diese Sätze und ihre Folgerungen boten nun zwar die Möglichkeit, jede der erwähnten Erscheinungen zu erklären, aber es zeigte sich dabei, daß öfters für eine und dieselbe Erscheinung

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Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/147>, abgerufen am 22.11.2024.