[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.gewesen seyn muß, den die Statue jener Tugend Auch hieraus ergiebt sich, warum die Neuen als
geweſen ſeyn muß, den die Statue jener Tugend Auch hieraus ergiebt ſich, warum die Neuen als
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0043" n="40"/> geweſen ſeyn muß, den die Statue jener Tugend<lb/> zu Rom luͤſtete, die nun die Decke traͤgt; die<lb/> reinen und ſchoͤnen Formen dieſer Kunſt koͤnnen<lb/> wohl Freundſchaft, Liebe, taͤgliche Sprache, nur<lb/> beym Vieh aber Wolluſt ſtiften. — Mit dem<lb/> Zauber der Mahlerei iſts anders. Da ſie nicht<lb/> koͤrperliche Darſtellung, ſondern nur Schilde-<lb/> rung, <hi rendition="#fr">Phantaſie, Repraͤſentation</hi> iſt, ſo<lb/> oͤfnet ſie auch der Phantaſie ein weites Feld und<lb/> lockt ſie in ihre gefaͤrbte, duftende Wolluſtgaͤrten.<lb/> Die kranken Schlemmer aller Zeiten fuͤllten ihre<lb/> Kabinette der Wolluſt immer lieber mit unzuͤch-<lb/> tigen Gemaͤhlden als Bildſaͤulen: denn in dieſen,<lb/> ſelbſt in ſchlummernden Hermaphroditen, iſt ei-<lb/> gentlich keine <hi rendition="#fr">Unzucht.</hi> Die Chaͤreen alt und<lb/> neu, erbauen ſich lieber an <hi rendition="#fr">Gemaͤhlden</hi> des<lb/> Schwans mit der Leda, als an ganzen Vorſtel-<lb/> lungen deſſelben. Die Phantaſie will nur Duft,<lb/> Schein, lockende Farbe haben; mit der treuen<lb/> Natur der ganzen Wahrheit ſind ihr die Fluͤgel<lb/> gebunden, es ſtehet zu wahr da. Die Bild-<lb/> ſaͤule bleibt immer nackt ſtehen, aber die ſchoͤne<lb/> Danae von Titian muß weislich ein Vorhaͤng-<lb/> chen decken: es iſt die Zaubertafel fuͤr einen ver-<lb/> dorbenen <hi rendition="#fr">Sinn,</hi> der, verlockt, gar keine Gren-<lb/> zen kennet.</p><lb/> <p>Auch hieraus ergiebt ſich, warum die Neuen<lb/> den Alten in ſchoͤner <hi rendition="#fr">Form</hi> weiter nachbleiben,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0043]
geweſen ſeyn muß, den die Statue jener Tugend
zu Rom luͤſtete, die nun die Decke traͤgt; die
reinen und ſchoͤnen Formen dieſer Kunſt koͤnnen
wohl Freundſchaft, Liebe, taͤgliche Sprache, nur
beym Vieh aber Wolluſt ſtiften. — Mit dem
Zauber der Mahlerei iſts anders. Da ſie nicht
koͤrperliche Darſtellung, ſondern nur Schilde-
rung, Phantaſie, Repraͤſentation iſt, ſo
oͤfnet ſie auch der Phantaſie ein weites Feld und
lockt ſie in ihre gefaͤrbte, duftende Wolluſtgaͤrten.
Die kranken Schlemmer aller Zeiten fuͤllten ihre
Kabinette der Wolluſt immer lieber mit unzuͤch-
tigen Gemaͤhlden als Bildſaͤulen: denn in dieſen,
ſelbſt in ſchlummernden Hermaphroditen, iſt ei-
gentlich keine Unzucht. Die Chaͤreen alt und
neu, erbauen ſich lieber an Gemaͤhlden des
Schwans mit der Leda, als an ganzen Vorſtel-
lungen deſſelben. Die Phantaſie will nur Duft,
Schein, lockende Farbe haben; mit der treuen
Natur der ganzen Wahrheit ſind ihr die Fluͤgel
gebunden, es ſtehet zu wahr da. Die Bild-
ſaͤule bleibt immer nackt ſtehen, aber die ſchoͤne
Danae von Titian muß weislich ein Vorhaͤng-
chen decken: es iſt die Zaubertafel fuͤr einen ver-
dorbenen Sinn, der, verlockt, gar keine Gren-
zen kennet.
Auch hieraus ergiebt ſich, warum die Neuen
den Alten in ſchoͤner Form weiter nachbleiben,
als
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