[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.sie aber nicht nach, was nicht aufs Brett gehört, Selbst im Reizbaren zur Verführung ist das gewe- C 4
ſie aber nicht nach, was nicht aufs Brett gehoͤrt, Selbſt im Reizbaren zur Verfuͤhrung iſt das gewe- C 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0042" n="39"/> ſie aber nicht nach, was nicht aufs Brett gehoͤrt,<lb/> ohne daß es dadurch dreimal Brett wurde. Eben<lb/> jene alte große Mahler, welch großes Gefuͤhl<lb/> hatten ſie vom <hi rendition="#fr">Wurf der Kleider!</hi> wie eben<lb/> hier die Mahlerei in ihrem Zauberlande des ſchoͤ-<lb/> nen Truges, in der Werkſtaͤte ihrer Allmacht mit<lb/> Licht und Farbe ſei. Daß dieſes Kleid rauſche<lb/> und jenes dufte und ſchwebe; daß man hier in<lb/> die Falten des Gewandes greift und glaubt, da<lb/> es doch nur Flaͤche iſt, ſo tief zu greifen: daß<lb/> dieſe Farbe, dieſer Grund jene Figuren ſo himm-<lb/> liſch mache, ſo hoͤhe und hebe; jener Wurf, je-<lb/> ner Wechſel dem Ganzen Lieblichkeit, Anmuth,<lb/> Mannichfaltigkeit gewaͤhre — was ich hier ſo<lb/> allgemein, ſo unbeſtimmt ſage, welcher Liebha-<lb/> ber, welcher Meiſter hats nicht in tauſend einzel-<lb/> nen Faͤllen, mit tauſend Kunſtgriffen und Mei-<lb/> ſterzuͤgen erprobet? Mahlerei iſt <hi rendition="#fr">Repraͤſenta-<lb/> tion,</hi> eine Zauberwelt mit Licht und Farben fuͤrs<lb/> Auge; <hi rendition="#fr">dem</hi> Sinne muß ſie folgen, und was ihr<lb/> der Sinn fuͤr Zauberſtaͤbe gewaͤhrt, darf ſie nicht<lb/> wegwerfen.</p><lb/> <p>Selbſt im Reizbaren zur Verfuͤhrung iſt das<lb/> Nackte in beiden Kuͤnſten gar nicht daſſelbe. Eine<lb/> Statue ſteht <hi rendition="#fr">ganz</hi> da, unter freiem Himmel,<lb/> gleichſam im Paradieſe: <hi rendition="#fr">Nachbild</hi> eines ſchoͤnen<lb/> Geſchoͤpfs Gottes und um ſie iſt Unſchuld. <hi rendition="#fr">Win-<lb/> kelmann</hi> ſagt recht, daß der Spanier ein Vieh<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 4</fw><fw place="bottom" type="catch">gewe-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0042]
ſie aber nicht nach, was nicht aufs Brett gehoͤrt,
ohne daß es dadurch dreimal Brett wurde. Eben
jene alte große Mahler, welch großes Gefuͤhl
hatten ſie vom Wurf der Kleider! wie eben
hier die Mahlerei in ihrem Zauberlande des ſchoͤ-
nen Truges, in der Werkſtaͤte ihrer Allmacht mit
Licht und Farbe ſei. Daß dieſes Kleid rauſche
und jenes dufte und ſchwebe; daß man hier in
die Falten des Gewandes greift und glaubt, da
es doch nur Flaͤche iſt, ſo tief zu greifen: daß
dieſe Farbe, dieſer Grund jene Figuren ſo himm-
liſch mache, ſo hoͤhe und hebe; jener Wurf, je-
ner Wechſel dem Ganzen Lieblichkeit, Anmuth,
Mannichfaltigkeit gewaͤhre — was ich hier ſo
allgemein, ſo unbeſtimmt ſage, welcher Liebha-
ber, welcher Meiſter hats nicht in tauſend einzel-
nen Faͤllen, mit tauſend Kunſtgriffen und Mei-
ſterzuͤgen erprobet? Mahlerei iſt Repraͤſenta-
tion, eine Zauberwelt mit Licht und Farben fuͤrs
Auge; dem Sinne muß ſie folgen, und was ihr
der Sinn fuͤr Zauberſtaͤbe gewaͤhrt, darf ſie nicht
wegwerfen.
Selbſt im Reizbaren zur Verfuͤhrung iſt das
Nackte in beiden Kuͤnſten gar nicht daſſelbe. Eine
Statue ſteht ganz da, unter freiem Himmel,
gleichſam im Paradieſe: Nachbild eines ſchoͤnen
Geſchoͤpfs Gottes und um ſie iſt Unſchuld. Win-
kelmann ſagt recht, daß der Spanier ein Vieh
gewe-
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