[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.ter uns dies nackte Reich der Statuen plötzlich Wo auch der Grieche bekleiden muste, wo chen C 2
ter uns dies nackte Reich der Statuen ploͤtzlich Wo auch der Grieche bekleiden muſte, wo chen C 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0038" n="35"/> ter uns dies nackte Reich der Statuen ploͤtzlich<lb/> auf Weg und Steg gepflanzet wuͤrde, wie einige<lb/> neuere Schoͤndenker nicht undeutlich angerathen<lb/> haben: ſo muß man von dem Eindruck, den ſie<lb/> da und dem Poͤbel (dem Poͤbel <hi rendition="#fr">von</hi> und <hi rendition="#fr">ohne</hi><lb/> Stande) inſonderheit <hi rendition="#fr">zuerſt,</hi> machen wuͤrden,<lb/> nicht ſo fort auf ein fremdes Volk ganz andrer<lb/> Sitten und Erziehung ſchließen. Ueberhaupt iſt<lb/><hi rendition="#fr">zuͤchtig ſeyn</hi> und <hi rendition="#fr">geaͤrgert werden, Tugend<lb/> ausbreiten</hi> und <hi rendition="#fr">die Kunſt haſſen,</hi> ſchrecklich<lb/> verſchieden, wie die Folge noch mehr zeigen wird.<lb/> Hier iſt auch dieſe Ausſchweifung ſchon zu lang;<lb/> wir reden hier von <hi rendition="#fr">Kunſt</hi> und von <hi rendition="#fr">Griechen,</hi><lb/> nicht von <hi rendition="#fr">Sitten</hi> und <hi rendition="#fr">Deutſchen.</hi> Jch fahre<lb/> fort.</p><lb/> <p>Wo auch der Grieche bekleiden muſte, wo<lb/> es ihm ein Geſetz auflegte, den ſchoͤnen Koͤrper,<lb/> den er bilden wollte, und den die Kunſt allein<lb/> bilden <hi rendition="#fr">kann</hi> und <hi rendition="#fr">ſoll,</hi> hinter Lumpen zu ver-<lb/> ſtecken; gabs kein Mittel, dem fremden Drucke<lb/> zu entkommen, oder ſich mit ihm abzufinden?<lb/> zu <hi rendition="#fr">bekleiden,</hi> daß doch nicht <hi rendition="#fr">verhuͤllt</hi> wuͤrde?<lb/> Gewand anzubringen, und der Koͤrper doch ſeinen<lb/> Wuchs, ſeine ſchoͤne runde Fuͤlle behielte? Wie<lb/> wenn er <hi rendition="#fr">durchſchiene?</hi> Jn der Bildnerei, bey<lb/> einem <hi rendition="#aq">Solido</hi> kann nichts durchſcheinen: ſie ar-<lb/> beitet fuͤr die Hand und nicht fuͤrs Auge. Und<lb/> ſiehe, eben <hi rendition="#fr">fuͤr die Hand</hi> erfanden die feinen Grie-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0038]
ter uns dies nackte Reich der Statuen ploͤtzlich
auf Weg und Steg gepflanzet wuͤrde, wie einige
neuere Schoͤndenker nicht undeutlich angerathen
haben: ſo muß man von dem Eindruck, den ſie
da und dem Poͤbel (dem Poͤbel von und ohne
Stande) inſonderheit zuerſt, machen wuͤrden,
nicht ſo fort auf ein fremdes Volk ganz andrer
Sitten und Erziehung ſchließen. Ueberhaupt iſt
zuͤchtig ſeyn und geaͤrgert werden, Tugend
ausbreiten und die Kunſt haſſen, ſchrecklich
verſchieden, wie die Folge noch mehr zeigen wird.
Hier iſt auch dieſe Ausſchweifung ſchon zu lang;
wir reden hier von Kunſt und von Griechen,
nicht von Sitten und Deutſchen. Jch fahre
fort.
Wo auch der Grieche bekleiden muſte, wo
es ihm ein Geſetz auflegte, den ſchoͤnen Koͤrper,
den er bilden wollte, und den die Kunſt allein
bilden kann und ſoll, hinter Lumpen zu ver-
ſtecken; gabs kein Mittel, dem fremden Drucke
zu entkommen, oder ſich mit ihm abzufinden?
zu bekleiden, daß doch nicht verhuͤllt wuͤrde?
Gewand anzubringen, und der Koͤrper doch ſeinen
Wuchs, ſeine ſchoͤne runde Fuͤlle behielte? Wie
wenn er durchſchiene? Jn der Bildnerei, bey
einem Solido kann nichts durchſcheinen: ſie ar-
beitet fuͤr die Hand und nicht fuͤrs Auge. Und
ſiehe, eben fuͤr die Hand erfanden die feinen Grie-
chen
C 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/38 |
Zitationshilfe: | [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/38>, abgerufen am 27.07.2024. |