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[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.

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liebte von fern als ein flaches Bild ansieht und
gnug hat! wehe dem Apollo- dem Herkulesbild-
ner, der nie einen Wuchs Apollo's umschlang,
der eine Brust, einen Rücken Herkules auch nie
im Traume fühlte. Aus Nichts kann wahr-
lich nichts anders als Nichts, und aus dem
unfühlenden Sonnenstral nie warme schaffende
Hand werden.



4.

Jsts einmal erlaubt, über Werk zu reden und
über Kunst zu philosophiren: so muß die
Philosophie wenigstens genau seyn, und wo mög-
lich zu den ersten einfachsten Begriffen reichen.
Als das Philosophiren über schöne Kunst einmal
noch Mode war, suchte ich lange über dem eigent-
lichen Begriff
, der schöne Formen und Far-
ben, Bildnerei
und Mahlerei trenne, und --
fand ihn nicht c). Jmmer Mahlerei und Bild-
hauerei in einander, unter Einem Sinne, also
unter Einem Organ der Seele, das Schöne in

beiden
c) Falkonets Gedanken von der Bildhauerkunst,
(übers. N. Bibl. d. sch. W. B. 1. St. 1.) sind die
trefliche Vorlefung eines Künstlers, dessen Zweck
es gar nicht ist, die Grenzen zweener Künste phi-
losophisch zu sondern.

liebte von fern als ein flaches Bild anſieht und
gnug hat! wehe dem Apollo- dem Herkulesbild-
ner, der nie einen Wuchs Apollo’s umſchlang,
der eine Bruſt, einen Ruͤcken Herkules auch nie
im Traume fuͤhlte. Aus Nichts kann wahr-
lich nichts anders als Nichts, und aus dem
unfuͤhlenden Sonnenſtral nie warme ſchaffende
Hand werden.



4.

Jſts einmal erlaubt, uͤber Werk zu reden und
uͤber Kunſt zu philoſophiren: ſo muß die
Philoſophie wenigſtens genau ſeyn, und wo moͤg-
lich zu den erſten einfachſten Begriffen reichen.
Als das Philoſophiren uͤber ſchoͤne Kunſt einmal
noch Mode war, ſuchte ich lange uͤber dem eigent-
lichen Begriff
, der ſchoͤne Formen und Far-
ben, Bildnerei
und Mahlerei trenne, und —
fand ihn nicht c). Jmmer Mahlerei und Bild-
hauerei in einander, unter Einem Sinne, alſo
unter Einem Organ der Seele, das Schoͤne in

beiden
c) Falkonets Gedanken von der Bildhauerkunſt,
(uͤberſ. N. Bibl. d. ſch. W. B. 1. St. 1.) ſind die
trefliche Vorlefung eines Kuͤnſtlers, deſſen Zweck
es gar nicht iſt, die Grenzen zweener Kuͤnſte phi-
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[22/0025] liebte von fern als ein flaches Bild anſieht und gnug hat! wehe dem Apollo- dem Herkulesbild- ner, der nie einen Wuchs Apollo’s umſchlang, der eine Bruſt, einen Ruͤcken Herkules auch nie im Traume fuͤhlte. Aus Nichts kann wahr- lich nichts anders als Nichts, und aus dem unfuͤhlenden Sonnenſtral nie warme ſchaffende Hand werden. 4. Jſts einmal erlaubt, uͤber Werk zu reden und uͤber Kunſt zu philoſophiren: ſo muß die Philoſophie wenigſtens genau ſeyn, und wo moͤg- lich zu den erſten einfachſten Begriffen reichen. Als das Philoſophiren uͤber ſchoͤne Kunſt einmal noch Mode war, ſuchte ich lange uͤber dem eigent- lichen Begriff, der ſchoͤne Formen und Far- ben, Bildnerei und Mahlerei trenne, und — fand ihn nicht c). Jmmer Mahlerei und Bild- hauerei in einander, unter Einem Sinne, alſo unter Einem Organ der Seele, das Schoͤne in beiden c) Falkonets Gedanken von der Bildhauerkunſt, (uͤberſ. N. Bibl. d. ſch. W. B. 1. St. 1.) ſind die trefliche Vorlefung eines Kuͤnſtlers, deſſen Zweck es gar nicht iſt, die Grenzen zweener Kuͤnſte phi- loſophiſch zu ſondern.

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/25>, abgerufen am 28.03.2024.