[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.Hand hat. Und wo er sie nicht hat, wo kein Mit- Kommt in die Spielkammer des Kindes, Es
Hand hat. Und wo er ſie nicht hat, wo kein Mit- Kommt in die Spielkammer des Kindes, Es
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0015" n="12"/> Hand hat. Und wo er ſie nicht hat, wo kein Mit-<lb/> tel war, daß er ſich von einem Koͤrper durch koͤr-<lb/> perliches Gefuͤhl uͤberzeugte: da muß er ſchließen<lb/> und rathen und traͤumen und luͤgen, und weiß<lb/> eigentlich nichts recht. Je mehr er Koͤrper, als Koͤr-<lb/> per, nicht angaffte und betraͤumte, ſondern erfaßte,<lb/> hatte, beſaß, deſto lebendiger iſt ſein Gefuͤhl, es iſt,<lb/> wie auch das Wort ſagt, <hi rendition="#fr">Begriff</hi> der Sache.</p><lb/> <p>Kommt in die Spielkammer des Kindes,<lb/> und ſehet, wie der kleine Erfahrungsmenſch faſ-<lb/> et, greift, nimmt, waͤgt, taſtet, mißt mit Haͤn-<lb/> den und Fuͤßen, um ſich uͤberall die ſchweren, erſten<lb/> und nothwendigſten Begriffe von Koͤrpern, Ge-<lb/> ſtalten, Groͤße, Raum, Entfernung u. dgl. treu<lb/> und ſicher zu verſchaffen. Worte und Lehren koͤn-<lb/> nen ſie ihm nicht geben; aber Erfahrung, Ver-<lb/> ſuch, Proben. Jn wenigen Augenblicken lernt er<lb/> da mehr und alles lebendiger, wahrer, ſtaͤrker, als<lb/> ihm in zehntauſend Jahren Angaffen und Wort-<lb/> erklaͤren beibringen wuͤrde. Hier, indem er Ge-<lb/> ſicht und Gefuͤhl unaufhoͤrlich verbindet, eins<lb/> durchs andre unterſucht, erweitert, hebt, ſtaͤrket —<lb/> formt er ſein erſtes <hi rendition="#fr">Urtheil</hi>. Durch Fehlgriffe<lb/> und Fehlſchluͤſſe kommt er zur Wahrheit, und je<lb/><hi rendition="#fr">ſolider</hi> er hier dachte und denken lernte, deſto beſ-<lb/> ſere Grundlage legt er vielleicht auf die complexe-<lb/> ſten Urtheile ſeines Lebens. Wahrlich das erſte<lb/> Muſeum der mathematiſch-phyſiſchen Lehrart.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0015]
Hand hat. Und wo er ſie nicht hat, wo kein Mit-
tel war, daß er ſich von einem Koͤrper durch koͤr-
perliches Gefuͤhl uͤberzeugte: da muß er ſchließen
und rathen und traͤumen und luͤgen, und weiß
eigentlich nichts recht. Je mehr er Koͤrper, als Koͤr-
per, nicht angaffte und betraͤumte, ſondern erfaßte,
hatte, beſaß, deſto lebendiger iſt ſein Gefuͤhl, es iſt,
wie auch das Wort ſagt, Begriff der Sache.
Kommt in die Spielkammer des Kindes,
und ſehet, wie der kleine Erfahrungsmenſch faſ-
et, greift, nimmt, waͤgt, taſtet, mißt mit Haͤn-
den und Fuͤßen, um ſich uͤberall die ſchweren, erſten
und nothwendigſten Begriffe von Koͤrpern, Ge-
ſtalten, Groͤße, Raum, Entfernung u. dgl. treu
und ſicher zu verſchaffen. Worte und Lehren koͤn-
nen ſie ihm nicht geben; aber Erfahrung, Ver-
ſuch, Proben. Jn wenigen Augenblicken lernt er
da mehr und alles lebendiger, wahrer, ſtaͤrker, als
ihm in zehntauſend Jahren Angaffen und Wort-
erklaͤren beibringen wuͤrde. Hier, indem er Ge-
ſicht und Gefuͤhl unaufhoͤrlich verbindet, eins
durchs andre unterſucht, erweitert, hebt, ſtaͤrket —
formt er ſein erſtes Urtheil. Durch Fehlgriffe
und Fehlſchluͤſſe kommt er zur Wahrheit, und je
ſolider er hier dachte und denken lernte, deſto beſ-
ſere Grundlage legt er vielleicht auf die complexe-
ſten Urtheile ſeines Lebens. Wahrlich das erſte
Muſeum der mathematiſch-phyſiſchen Lehrart.
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