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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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sie statt der Künste, Natur: statt der Wis-
senschaften, gesunden nordischen Verstand,
statt der feinen, starke und gute, obgleich
wilde Sitten brachten, und das alles nun zu-
sammen gährte -- welch ein Eräugniß! Jhre
Gesetze, wie athmen sie männlichen Muth,
Gefühl der Ehre, Zutrauen auf Verstand,
Redlichkeit
und Götterverehrung! Jhre Feu-
daleinrichtung
wie untergrub sie das Gewühl
volkreicher, üppiger Städte, baute das Land,
beschäftigte Hände und Menschen, machte ge-
sunde
und eben damit auch vergnügte Leute.
Jhr späteres Jdeal über die Bedürfnisse hin-
aus
-- es gieng auf Keuschheit und Ehre,
veredelte den besten Theil der menschlichen Nei-
gungen: obgleich Roman, so doch ein hoher
Roman:
eine wahre neue Blüthe der mensch-
lichen Seele.

Bedenke man z. B. was die Menschheit in
den Jahrhunderten dieser Gährung für Er-
holungsfrist
und Kräfteübung dadurch be-
kam, daß alles in kleine Verbindungen, Ab-
theilungen
und Untereinanderordnungen fiel,
und so viele, viele Glieder wurden! Da rieb
sich immer eins am andern, und alles erhielt
sich in Athem und Kräften. Zeit der Gäh-

rung
E 2



ſie ſtatt der Kuͤnſte, Natur: ſtatt der Wiſ-
ſenſchaften, geſunden nordiſchen Verſtand,
ſtatt der feinen, ſtarke und gute, obgleich
wilde Sitten brachten, und das alles nun zu-
ſammen gaͤhrte — welch ein Eraͤugniß! Jhre
Geſetze, wie athmen ſie maͤnnlichen Muth,
Gefuͤhl der Ehre, Zutrauen auf Verſtand,
Redlichkeit
und Goͤtterverehrung! Jhre Feu-
daleinrichtung
wie untergrub ſie das Gewuͤhl
volkreicher, uͤppiger Staͤdte, baute das Land,
beſchaͤftigte Haͤnde und Menſchen, machte ge-
ſunde
und eben damit auch vergnuͤgte Leute.
Jhr ſpaͤteres Jdeal uͤber die Beduͤrfniſſe hin-
aus
— es gieng auf Keuſchheit und Ehre,
veredelte den beſten Theil der menſchlichen Nei-
gungen: obgleich Roman, ſo doch ein hoher
Roman:
eine wahre neue Bluͤthe der menſch-
lichen Seele.

Bedenke man z. B. was die Menſchheit in
den Jahrhunderten dieſer Gaͤhrung fuͤr Er-
holungsfriſt
und Kraͤfteuͤbung dadurch be-
kam, daß alles in kleine Verbindungen, Ab-
theilungen
und Untereinanderordnungen fiel,
und ſo viele, viele Glieder wurden! Da rieb
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[67/0071] ſie ſtatt der Kuͤnſte, Natur: ſtatt der Wiſ- ſenſchaften, geſunden nordiſchen Verſtand, ſtatt der feinen, ſtarke und gute, obgleich wilde Sitten brachten, und das alles nun zu- ſammen gaͤhrte — welch ein Eraͤugniß! Jhre Geſetze, wie athmen ſie maͤnnlichen Muth, Gefuͤhl der Ehre, Zutrauen auf Verſtand, Redlichkeit und Goͤtterverehrung! Jhre Feu- daleinrichtung wie untergrub ſie das Gewuͤhl volkreicher, uͤppiger Staͤdte, baute das Land, beſchaͤftigte Haͤnde und Menſchen, machte ge- ſunde und eben damit auch vergnuͤgte Leute. Jhr ſpaͤteres Jdeal uͤber die Beduͤrfniſſe hin- aus — es gieng auf Keuſchheit und Ehre, veredelte den beſten Theil der menſchlichen Nei- gungen: obgleich Roman, ſo doch ein hoher Roman: eine wahre neue Bluͤthe der menſch- lichen Seele. Bedenke man z. B. was die Menſchheit in den Jahrhunderten dieſer Gaͤhrung fuͤr Er- holungsfriſt und Kraͤfteuͤbung dadurch be- kam, daß alles in kleine Verbindungen, Ab- theilungen und Untereinanderordnungen fiel, und ſo viele, viele Glieder wurden! Da rieb ſich immer eins am andern, und alles erhielt ſich in Athem und Kraͤften. Zeit der Gaͤh- rung E 2

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/71>, abgerufen am 25.11.2024.