Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.die erste junge Lust ermüdet, die erste frische Denk- * Unter den vielen neuern Schriften über die
Schulen nenne ich die kleinste und vielleicht beste: Millers Hoffnung besserer Schu- len. Es würde hier zu weitläuftig seyn, alle brauchbare Gedanken dieses deutschen Rollins anzuführen: es hat mich unendlich vergnügt, daß mein Embryon vom Plan mit den Ge- danken eines so erfahrnen Mannes überein- stimmet, aber wie mich dünkt, verwechselt er hier und da die lateinische Sprache, mit der ganzen Philologie, urtheilet über die Mytho- logie aus einem fremden theologischen Gesichts- punkte, und schreibt vielleicht aus christlichem Eifer: "Die enthusiastische Dacier hat ihrem "Göttlichen Homer alle Pflichten gegen ihre "Seele und die Gesellschaft aufgeopfert -- "wer die erlöseten Seelen des Heilandes liebt, "wird sich nie verleiten lassen, die verführe- "rischen Reize in Uz Lyrischen und andern Ge- dichten die erſte junge Luſt ermuͤdet, die erſte friſche Denk- * Unter den vielen neuern Schriften uͤber die
Schulen nenne ich die kleinſte und vielleicht beſte: Millers Hoffnung beſſerer Schu- len. Es wuͤrde hier zu weitlaͤuftig ſeyn, alle brauchbare Gedanken dieſes deutſchen Rollins anzufuͤhren: es hat mich unendlich vergnuͤgt, daß mein Embryon vom Plan mit den Ge- danken eines ſo erfahrnen Mannes uͤberein- ſtimmet, aber wie mich duͤnkt, verwechſelt er hier und da die lateiniſche Sprache, mit der ganzen Philologie, urtheilet uͤber die Mytho- logie aus einem fremden theologiſchen Geſichts- punkte, und ſchreibt vielleicht aus chriſtlichem Eifer: „Die enthuſiaſtiſche Dacier hat ihrem „Goͤttlichen Homer alle Pflichten gegen ihre „Seele und die Geſellſchaft aufgeopfert — „wer die erloͤſeten Seelen des Heilandes liebt, „wird ſich nie verleiten laſſen, die verfuͤhre- „riſchen Reize in Uz Lyriſchen und andern Ge- dichten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0048" n="40"/> die erſte junge Luſt ermuͤdet, die erſte friſche<lb/> Kraft zuruͤckgehalten, das Talent in Staub<lb/> vergraben, das Genie aufgehalten wird, bis<lb/> es, wie eine gar zu lange zuruͤckgehaltne Fe-<lb/> der ſeine Kraft verliert. Wer ſollte je auf<lb/> den Gedanken fallen, daß die Methode der<lb/><hi rendition="#fr">Sprachenerziehung</hi> <note xml:id="seg2pn_2_1" next="#seg2pn_2_2" place="foot" n="*">Unter den vielen neuern Schriften uͤber die<lb/> Schulen nenne ich die kleinſte und vielleicht<lb/> beſte: <hi rendition="#fr">Millers Hoffnung beſſerer Schu-<lb/> len.</hi> Es wuͤrde hier zu weitlaͤuftig ſeyn, alle<lb/> brauchbare Gedanken dieſes deutſchen Rollins<lb/> anzufuͤhren: es hat mich unendlich vergnuͤgt,<lb/> daß mein Embryon vom Plan mit den Ge-<lb/> danken eines ſo erfahrnen Mannes uͤberein-<lb/> ſtimmet, aber wie mich duͤnkt, verwechſelt er<lb/> hier und da die lateiniſche Sprache, mit der<lb/> ganzen Philologie, urtheilet uͤber die Mytho-<lb/> logie aus einem fremden theologiſchen Geſichts-<lb/> punkte, und ſchreibt vielleicht aus chriſtlichem<lb/> Eifer: „Die enthuſiaſtiſche Dacier hat ihrem<lb/> „Goͤttlichen Homer alle Pflichten gegen ihre<lb/> „Seele und die Geſellſchaft aufgeopfert —<lb/> „wer die erloͤſeten Seelen des Heilandes liebt,<lb/> „wird ſich nie verleiten laſſen, die verfuͤhre-<lb/> „riſchen Reize in Uz Lyriſchen und andern Ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dichten</fw></note> fuͤr die Jugend paßlich<lb/> ſey: wenn man ſich nur einmal aus unſrer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Denk-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0048]
die erſte junge Luſt ermuͤdet, die erſte friſche
Kraft zuruͤckgehalten, das Talent in Staub
vergraben, das Genie aufgehalten wird, bis
es, wie eine gar zu lange zuruͤckgehaltne Fe-
der ſeine Kraft verliert. Wer ſollte je auf
den Gedanken fallen, daß die Methode der
Sprachenerziehung * fuͤr die Jugend paßlich
ſey: wenn man ſich nur einmal aus unſrer
Denk-
* Unter den vielen neuern Schriften uͤber die
Schulen nenne ich die kleinſte und vielleicht
beſte: Millers Hoffnung beſſerer Schu-
len. Es wuͤrde hier zu weitlaͤuftig ſeyn, alle
brauchbare Gedanken dieſes deutſchen Rollins
anzufuͤhren: es hat mich unendlich vergnuͤgt,
daß mein Embryon vom Plan mit den Ge-
danken eines ſo erfahrnen Mannes uͤberein-
ſtimmet, aber wie mich duͤnkt, verwechſelt er
hier und da die lateiniſche Sprache, mit der
ganzen Philologie, urtheilet uͤber die Mytho-
logie aus einem fremden theologiſchen Geſichts-
punkte, und ſchreibt vielleicht aus chriſtlichem
Eifer: „Die enthuſiaſtiſche Dacier hat ihrem
„Goͤttlichen Homer alle Pflichten gegen ihre
„Seele und die Geſellſchaft aufgeopfert —
„wer die erloͤſeten Seelen des Heilandes liebt,
„wird ſich nie verleiten laſſen, die verfuͤhre-
„riſchen Reize in Uz Lyriſchen und andern Ge-
dichten
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