Unsre Sprache ist also jetzt gebildet und verschönert, aber nicht zu dem erhabnen Gothischen Gebäude, das sie zu Luthers Zeiten, (etwas Mönchssprache ausgenom- men) und nochmehr zu den Zeiten der Schwäbischen Kaiser war: sondern zu einem neumodischen Gebäude, das mit frem- den Zierrathen überladen, bei seiner Größe, klein und unansehnlich ins Auge fällt. -- Dies beobachten nun am ehesten die, welche unter den Sprachen der Alten wandeln, und dies ist der Grund, warum die Geßners, und Christe, und noch neuerlich Heinze*, "über das Neumodische und Glänzende in "unsrer Sprache klagen, das durch die vie- "len Morgenländischen, Griechischen, Engli- "schen und Französischen Redensarten einge- "führet würde." Wenn Heinze mehr als Worte versteht: so hat er nicht Unrecht, und sein Recensent würde zugeben, daß, wenn durch die Aufnahme fremder Bürger ein Staat allein bevölkert wird, so werde diese Bevöl- kerung leicht schädlich; denn sie verdrängen
bald
* Litt. Br. Th. 13. p. 118. 119.
Unſre Sprache iſt alſo jetzt gebildet und verſchoͤnert, aber nicht zu dem erhabnen Gothiſchen Gebaͤude, das ſie zu Luthers Zeiten, (etwas Moͤnchsſprache ausgenom- men) und nochmehr zu den Zeiten der Schwaͤbiſchen Kaiſer war: ſondern zu einem neumodiſchen Gebaͤude, das mit frem- den Zierrathen uͤberladen, bei ſeiner Groͤße, klein und unanſehnlich ins Auge faͤllt. — Dies beobachten nun am eheſten die, welche unter den Sprachen der Alten wandeln, und dies iſt der Grund, warum die Geßners, und Chriſte, und noch neuerlich Heinze*, „uͤber das Neumodiſche und Glaͤnzende in „unſrer Sprache klagen, das durch die vie- „len Morgenlaͤndiſchen, Griechiſchen, Engli- „ſchen und Franzoͤſiſchen Redensarten einge- „fuͤhret wuͤrde.„ Wenn Heinze mehr als Worte verſteht: ſo hat er nicht Unrecht, und ſein Recenſent wuͤrde zugeben, daß, wenn durch die Aufnahme fremder Buͤrger ein Staat allein bevoͤlkert wird, ſo werde dieſe Bevoͤl- kerung leicht ſchaͤdlich; denn ſie verdraͤngen
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* Litt. Br. Th. 13. p. 118. 119.
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Unſre Sprache iſt alſo jetzt gebildet und
verſchoͤnert, aber nicht zu dem erhabnen
Gothiſchen Gebaͤude, das ſie zu Luthers
Zeiten, (etwas Moͤnchsſprache ausgenom-
men) und nochmehr zu den Zeiten der
Schwaͤbiſchen Kaiſer war: ſondern zu
einem neumodiſchen Gebaͤude, das mit frem-
den Zierrathen uͤberladen, bei ſeiner Groͤße,
klein und unanſehnlich ins Auge faͤllt. —
Dies beobachten nun am eheſten die, welche
unter den Sprachen der Alten wandeln, und
dies iſt der Grund, warum die Geßners,
und Chriſte, und noch neuerlich Heinze *,
„uͤber das Neumodiſche und Glaͤnzende in
„unſrer Sprache klagen, das durch die vie-
„len Morgenlaͤndiſchen, Griechiſchen, Engli-
„ſchen und Franzoͤſiſchen Redensarten einge-
„fuͤhret wuͤrde.„ Wenn Heinze mehr als
Worte verſteht: ſo hat er nicht Unrecht,
und ſein Recenſent wuͤrde zugeben, daß, wenn
durch die Aufnahme fremder Buͤrger ein Staat
allein bevoͤlkert wird, ſo werde dieſe Bevoͤl-
kerung leicht ſchaͤdlich; denn ſie verdraͤngen
bald
* Litt. Br. Th. 13. p. 118. 119.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/39>, abgerufen am 24.11.2024.
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