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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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Nachfolger, und zum Theil Gegner, suchten
sie fruchtbar zu machen, wodurch? -- Durch
Nachforschen in altdeutschen Wörtern, in
den Zeiten ihrer Nervenvollen Stärke, wie
es der natürlichste Weg gewesen wäre, um
ihr Charakter auf ihrem Boden zu geben?
Nein! denn die langen lateinischen Zeiten hat-
ten diese Denkmäler theils weggebracht, theils
war die Arbeit zu mühsam: was that man
also? man übersezzte: und bildete sie inson-
derheit nach der Französischen: durch die sie
freilich unglaublich viel gewonnen, und sich
gebildet, aber nicht zum Urbilde ihrer
selbst:
wie es hätte seyn müssen, wenn man
aus ihren vorigen verlebten Zeitaltern, ihr
die abgegangnen Kräfte hätte zu ersetzen gesucht.

Unsre
"zu einigen großen und breiten Kunstrichtern,
"zu elenden und schwindsüchtigen Füchsen, son-
"dern zu vernünftigen und höflichen Lesern"
gehöre, seine stattlichen Verbesserungen des
Opitz "nach löblicher christlicher Gewohnheit
"edelmüthig" loben, als mit welcher er sich
um den Opitz selbst und dessen Leser nach Ver-
mögen
verdient zu machen gesucht: wie in
seiner Vorrede mit mehrerm zu ersehen.

Nachfolger, und zum Theil Gegner, ſuchten
ſie fruchtbar zu machen, wodurch? — Durch
Nachforſchen in altdeutſchen Woͤrtern, in
den Zeiten ihrer Nervenvollen Staͤrke, wie
es der natuͤrlichſte Weg geweſen waͤre, um
ihr Charakter auf ihrem Boden zu geben?
Nein! denn die langen lateiniſchen Zeiten hat-
ten dieſe Denkmaͤler theils weggebracht, theils
war die Arbeit zu muͤhſam: was that man
alſo? man uͤberſezzte: und bildete ſie inſon-
derheit nach der Franzoͤſiſchen: durch die ſie
freilich unglaublich viel gewonnen, und ſich
gebildet, aber nicht zum Urbilde ihrer
ſelbſt:
wie es haͤtte ſeyn muͤſſen, wenn man
aus ihren vorigen verlebten Zeitaltern, ihr
die abgegangnen Kraͤfte haͤtte zu erſetzen geſucht.

Unſre
„zu einigen großen und breiten Kunſtrichtern,
„zu elenden und ſchwindſuͤchtigen Fuͤchſen, ſon-
„dern zu vernuͤnftigen und hoͤflichen Leſern„
gehoͤre, ſeine ſtattlichen Verbeſſerungen des
Opitz „nach loͤblicher chriſtlicher Gewohnheit
„edelmuͤthig„ loben, als mit welcher er ſich
um den Opitz ſelbſt und deſſen Leſer nach Ver-
moͤgen
verdient zu machen geſucht: wie in
ſeiner Vorrede mit mehrerm zu erſehen.
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[30/0038] Nachfolger, und zum Theil Gegner, ſuchten ſie fruchtbar zu machen, wodurch? — Durch Nachforſchen in altdeutſchen Woͤrtern, in den Zeiten ihrer Nervenvollen Staͤrke, wie es der natuͤrlichſte Weg geweſen waͤre, um ihr Charakter auf ihrem Boden zu geben? Nein! denn die langen lateiniſchen Zeiten hat- ten dieſe Denkmaͤler theils weggebracht, theils war die Arbeit zu muͤhſam: was that man alſo? man uͤberſezzte: und bildete ſie inſon- derheit nach der Franzoͤſiſchen: durch die ſie freilich unglaublich viel gewonnen, und ſich gebildet, aber nicht zum Urbilde ihrer ſelbſt: wie es haͤtte ſeyn muͤſſen, wenn man aus ihren vorigen verlebten Zeitaltern, ihr die abgegangnen Kraͤfte haͤtte zu erſetzen geſucht. Unſre * * „zu einigen großen und breiten Kunſtrichtern, „zu elenden und ſchwindſuͤchtigen Fuͤchſen, ſon- „dern zu vernuͤnftigen und hoͤflichen Leſern„ gehoͤre, ſeine ſtattlichen Verbeſſerungen des Opitz „nach loͤblicher chriſtlicher Gewohnheit „edelmuͤthig„ loben, als mit welcher er ſich um den Opitz ſelbſt und deſſen Leſer nach Ver- moͤgen verdient zu machen geſucht: wie in ſeiner Vorrede mit mehrerm zu erſehen.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/38>, abgerufen am 28.03.2024.