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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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Gottsched erschien, und "der hat doch
"aus der Sprache gewiß alles Latein und
"Französisch so glücklich weggeschwemmt, daß
"einem wackern Deutschen kein Lateinisches
"Wort mehr in die Feder kommen muß! "Ja,
das hat er gethan! Er hat als ein ruhm-
würdiger Goldfinder (nach der Bedeutung
dieses Worts im Englischen) den Stall des
Augias mit Herkulischer Hand durchwässert
und gereinigt, und hat mit eben so tapferer
Hand seinen Ruhm an jedes Fenster des ge-
reinigten Pallastes geschrieben und schreiben
lassen: Dies ist sein Verdienst -- Aber dazu
braucht man ja auch blos gesunde Augen und
einen guten Kopf, zu sehen, daß er die
Deutsche Sprache viel zu Lateinisch be-
handelt, wie es ihm Heinze und andre mit
Recht gesagt. Und so ward sie wäßericht,
und wenigstens die deutsche Grammatik wie-
der nach lateinischem Leisten: man verachtete
die alte deutsche Kernsprache *. Seine

Nach-
* Zum unsterblichen Ruhm des Hrn. D. Tril-
lers
muß ich, damit ich nicht zu den "unbän-
"digen und gallsüchtigen Mückenseigern,
zu

Gottſched erſchien, und „der hat doch
„aus der Sprache gewiß alles Latein und
„Franzoͤſiſch ſo gluͤcklich weggeſchwemmt, daß
„einem wackern Deutſchen kein Lateiniſches
„Wort mehr in die Feder kommen muß! „Ja,
das hat er gethan! Er hat als ein ruhm-
wuͤrdiger Goldfinder (nach der Bedeutung
dieſes Worts im Engliſchen) den Stall des
Augias mit Herkuliſcher Hand durchwaͤſſert
und gereinigt, und hat mit eben ſo tapferer
Hand ſeinen Ruhm an jedes Fenſter des ge-
reinigten Pallaſtes geſchrieben und ſchreiben
laſſen: Dies iſt ſein Verdienſt — Aber dazu
braucht man ja auch blos geſunde Augen und
einen guten Kopf, zu ſehen, daß er die
Deutſche Sprache viel zu Lateiniſch be-
handelt, wie es ihm Heinze und andre mit
Recht geſagt. Und ſo ward ſie waͤßericht,
und wenigſtens die deutſche Grammatik wie-
der nach lateiniſchem Leiſten: man verachtete
die alte deutſche Kernſprache *. Seine

Nach-
* Zum unſterblichen Ruhm des Hrn. D. Tril-
lers
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„digen und gallſuͤchtigen Muͤckenſeigern,
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[29/0037] Gottſched erſchien, und „der hat doch „aus der Sprache gewiß alles Latein und „Franzoͤſiſch ſo gluͤcklich weggeſchwemmt, daß „einem wackern Deutſchen kein Lateiniſches „Wort mehr in die Feder kommen muß! „Ja, das hat er gethan! Er hat als ein ruhm- wuͤrdiger Goldfinder (nach der Bedeutung dieſes Worts im Engliſchen) den Stall des Augias mit Herkuliſcher Hand durchwaͤſſert und gereinigt, und hat mit eben ſo tapferer Hand ſeinen Ruhm an jedes Fenſter des ge- reinigten Pallaſtes geſchrieben und ſchreiben laſſen: Dies iſt ſein Verdienſt — Aber dazu braucht man ja auch blos geſunde Augen und einen guten Kopf, zu ſehen, daß er die Deutſche Sprache viel zu Lateiniſch be- handelt, wie es ihm Heinze und andre mit Recht geſagt. Und ſo ward ſie waͤßericht, und wenigſtens die deutſche Grammatik wie- der nach lateiniſchem Leiſten: man verachtete die alte deutſche Kernſprache *. Seine Nach- * Zum unſterblichen Ruhm des Hrn. D. Tril- lers muß ich, damit ich nicht zu den „unbaͤn- „digen und gallſuͤchtigen Muͤckenſeigern, zu

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/37>, abgerufen am 24.11.2024.