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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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Sprache, um vielleicht die scholastische La-
teinische einzuschränken? nein! denn das hätte
von Akademien geschehen müssen, und hier
regierte noch Aristoteles! -- als eine ge-
lehrte Sprache,
um uns, statt des schönen
Lateinischen Stils, einen schönen Deutschen
Bücherstil zu geben? -- das hätte von
Schulen aus geschehen müssen, und da herrsch-
ten noch Römische Monarchen! Wie denn? --
Großer Gott! als eine Politische, als eine
Galante, als eine Reimreiche Sprache
suchte man sie zu bilden: war das nicht am
umgekehrten Ende? Und wer unternahm diese
Schöpfung zum Politischen, zum Galanten
Stil? Etwa Hofleute -- nein! treufleißige
Schulrektors, Uhsens, und Weisens, und
Hübners (von welchem letztern ich hier nicht
weiter, als in Bildung der Sprache, urtheile.)
Und wie bildeten sie ihn denn Galant? nach
Franzosen, durch eine Sündfluth französi-
scher Wörter: nun kamen die Menantes und
Talanders und zehn andre Anders: so war
die deutsche Sprache von einer andern Seite
gemißhandelt.

Gott-

Sprache, um vielleicht die ſcholaſtiſche La-
teiniſche einzuſchraͤnken? nein! denn das haͤtte
von Akademien geſchehen muͤſſen, und hier
regierte noch Ariſtoteles! — als eine ge-
lehrte Sprache,
um uns, ſtatt des ſchoͤnen
Lateiniſchen Stils, einen ſchoͤnen Deutſchen
Buͤcherſtil zu geben? — das haͤtte von
Schulen aus geſchehen muͤſſen, und da herrſch-
ten noch Roͤmiſche Monarchen! Wie denn? —
Großer Gott! als eine Politiſche, als eine
Galante, als eine Reimreiche Sprache
ſuchte man ſie zu bilden: war das nicht am
umgekehrten Ende? Und wer unternahm dieſe
Schoͤpfung zum Politiſchen, zum Galanten
Stil? Etwa Hofleute — nein! treufleißige
Schulrektors, Uhſens, und Weiſens, und
Huͤbners (von welchem letztern ich hier nicht
weiter, als in Bildung der Sprache, urtheile.)
Und wie bildeten ſie ihn denn Galant? nach
Franzoſen, durch eine Suͤndfluth franzoͤſi-
ſcher Woͤrter: nun kamen die Menantes und
Talanders und zehn andre Anders: ſo war
die deutſche Sprache von einer andern Seite
gemißhandelt.

Gott-
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[28/0036] Sprache, um vielleicht die ſcholaſtiſche La- teiniſche einzuſchraͤnken? nein! denn das haͤtte von Akademien geſchehen muͤſſen, und hier regierte noch Ariſtoteles! — als eine ge- lehrte Sprache, um uns, ſtatt des ſchoͤnen Lateiniſchen Stils, einen ſchoͤnen Deutſchen Buͤcherſtil zu geben? — das haͤtte von Schulen aus geſchehen muͤſſen, und da herrſch- ten noch Roͤmiſche Monarchen! Wie denn? — Großer Gott! als eine Politiſche, als eine Galante, als eine Reimreiche Sprache ſuchte man ſie zu bilden: war das nicht am umgekehrten Ende? Und wer unternahm dieſe Schoͤpfung zum Politiſchen, zum Galanten Stil? Etwa Hofleute — nein! treufleißige Schulrektors, Uhſens, und Weiſens, und Huͤbners (von welchem letztern ich hier nicht weiter, als in Bildung der Sprache, urtheile.) Und wie bildeten ſie ihn denn Galant? nach Franzoſen, durch eine Suͤndfluth franzoͤſi- ſcher Woͤrter: nun kamen die Menantes und Talanders und zehn andre Anders: ſo war die deutſche Sprache von einer andern Seite gemißhandelt. Gott-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/36>, abgerufen am 24.04.2024.