"aber wir wünschen weiter zu sehen!" sagt man dies, so lobt man mich, wie ich wün- sche, über Fragmente gelobt zu werden.
Aber wenn man mich aus fremden Stand- prten ansähe; das überginge, was ich zuerst nur von weitem zeige, ob man auch darauf merke? -- auf das lobend oder tadelnd fiele, was ich hingeworfen; kurz! an mei- nem Bilde Fußzehen, Kolorit, und Falten- werfung betrachtete; alsdenn habe ich ver- gebens geschrieben, und wie schmerzhaft ist dies für den, der als Liebhaber, als Patriot schrieb, über Sachen, von denen er weder Titel, noch Brot, noch Lohn hat.
Jch habe hier und da freie Urtheile ein- gestreuet: wie sie dastehen, scheinen sie leichtfertig, ich nehme dies Wort in seiner ursprünglichen Bedeutung; aber wie ich sie dachte, waren sie peinlich. Wer da sagt, daß ich um Beifall buhle; der hat mir nicht ins Gesicht gesehen: viele müßten sich selbst ablegen, wenn sie von meinen schlechten Frag- menten blos unpartheiisch urtheilen wollten.
Wäre
„aber wir wuͤnſchen weiter zu ſehen!„ ſagt man dies, ſo lobt man mich, wie ich wuͤn- ſche, uͤber Fragmente gelobt zu werden.
Aber wenn man mich aus fremden Stand- prten anſaͤhe; das uͤberginge, was ich zuerſt nur von weitem zeige, ob man auch darauf merke? — auf das lobend oder tadelnd fiele, was ich hingeworfen; kurz! an mei- nem Bilde Fußzehen, Kolorit, und Falten- werfung betrachtete; alsdenn habe ich ver- gebens geſchrieben, und wie ſchmerzhaft iſt dies fuͤr den, der als Liebhaber, als Patriot ſchrieb, uͤber Sachen, von denen er weder Titel, noch Brot, noch Lohn hat.
Jch habe hier und da freie Urtheile ein- geſtreuet: wie ſie daſtehen, ſcheinen ſie leichtfertig, ich nehme dies Wort in ſeiner urſpruͤnglichen Bedeutung; aber wie ich ſie dachte, waren ſie peinlich. Wer da ſagt, daß ich um Beifall buhle; der hat mir nicht ins Geſicht geſehen: viele muͤßten ſich ſelbſt ablegen, wenn ſie von meinen ſchlechten Frag- menten blos unpartheiiſch urtheilen wollten.
Waͤre
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„aber wir wuͤnſchen weiter zu ſehen!„ ſagt
man dies, ſo lobt man mich, wie ich wuͤn-
ſche, uͤber Fragmente gelobt zu werden.
Aber wenn man mich aus fremden Stand-
prten anſaͤhe; das uͤberginge, was ich zuerſt
nur von weitem zeige, ob man auch darauf
merke? — auf das lobend oder tadelnd
fiele, was ich hingeworfen; kurz! an mei-
nem Bilde Fußzehen, Kolorit, und Falten-
werfung betrachtete; alsdenn habe ich ver-
gebens geſchrieben, und wie ſchmerzhaft iſt
dies fuͤr den, der als Liebhaber, als Patriot
ſchrieb, uͤber Sachen, von denen er weder
Titel, noch Brot, noch Lohn hat.
Jch habe hier und da freie Urtheile ein-
geſtreuet: wie ſie daſtehen, ſcheinen ſie
leichtfertig, ich nehme dies Wort in ſeiner
urſpruͤnglichen Bedeutung; aber wie ich ſie
dachte, waren ſie peinlich. Wer da ſagt,
daß ich um Beifall buhle; der hat mir nicht
ins Geſicht geſehen: viele muͤßten ſich ſelbſt
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menten blos unpartheiiſch urtheilen wollten.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/332>, abgerufen am 21.11.2024.
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