Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.trösten, oder noch mehr zu betrüben *. Alle * So wie jede Leidenschaft sich der ganzen Welt mittheilen will: so sucht auch die Betrübniß überall Zeugen und Begleiterinnen ihres Schmerzes: sie will sich nicht widersprechen lassen, und tröstet sich, wenn man ihr Recht gibt. ** So bald diese Wiederholungen regelmäßig,
und bei dem diesem Regelmäßig noch dazu schleppend, eintönig und leer werden: so ermü- den sie, wie z. E. die Elegie Daphnis und Daphne in der Sammlung verm. Schr. -- So verwirft auch die Elegie oft den Perioden, heftet sich auf ein Wort, das sie wiederholt, und sich recht vors Auge stellet: hierinn ist sonst Klopstock sehr glücklich, nur in dem Trauergesange Davids um Jonathan, den zwei Sänger seinem Salomo singen, und wie ich glaube, in seiner neuern Elegie: Roth- schilds Gräber sind einige Versetzungen zu . gezwun- troͤſten, oder noch mehr zu betruͤben *. Alle * So wie jede Leidenſchaft ſich der ganzen Welt mittheilen will: ſo ſucht auch die Betruͤbniß uͤberall Zeugen und Begleiterinnen ihres Schmerzes: ſie will ſich nicht widerſprechen laſſen, und troͤſtet ſich, wenn man ihr Recht gibt. ** So bald dieſe Wiederholungen regelmaͤßig,
und bei dem dieſem Regelmaͤßig noch dazu ſchleppend, eintoͤnig und leer werden: ſo ermuͤ- den ſie, wie z. E. die Elegie Daphnis und Daphne in der Sammlung verm. Schr. — So verwirft auch die Elegie oft den Perioden, heftet ſich auf ein Wort, das ſie wiederholt, und ſich recht vors Auge ſtellet: hierinn iſt ſonſt Klopſtock ſehr gluͤcklich, nur in dem Trauergeſange Davids um Jonathan, den zwei Saͤnger ſeinem Salomo ſingen, und wie ich glaube, in ſeiner neuern Elegie: Roth- ſchilds Graͤber ſind einige Verſetzungen zu . gezwun- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0256" n="248"/> troͤſten, oder noch mehr zu betruͤben <note place="foot" n="*">So wie jede Leidenſchaft ſich der ganzen Welt<lb/> mittheilen will: ſo ſucht auch die Betruͤbniß<lb/> uͤberall Zeugen und Begleiterinnen ihres<lb/> Schmerzes: ſie will ſich nicht widerſprechen<lb/> laſſen, und troͤſtet ſich, wenn man ihr<lb/> Recht gibt.</note>.<lb/> Sie bleibt oͤfters bei einem einzigen Gedanken<lb/> ſtehen und wiederholt ihn; ja macht unmit-<lb/> telbar die Anwendung auf ſich. Daher<lb/> koͤmmt die Wiederholung einerlei Worte am<lb/> Ende des vorhergehenden, und im Anfange<lb/> des folgenden Verſes, welche die Elegien-<lb/> dichter oͤfters ſo gluͤcklich anbringen <note xml:id="seg2pn_22_1" next="#seg2pn_22_2" place="foot" n="**">So bald dieſe Wiederholungen <hi rendition="#fr">regelmaͤßig,</hi><lb/> und bei dem dieſem Regelmaͤßig noch dazu<lb/> ſchleppend, eintoͤnig und leer werden: ſo ermuͤ-<lb/> den ſie, wie z. E. die Elegie <hi rendition="#fr">Daphnis</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Daphne in der Sammlung verm. Schr.</hi> —<lb/> So verwirft auch die Elegie oft den <hi rendition="#fr">Perioden,</hi><lb/> heftet ſich auf ein Wort, das ſie wiederholt,<lb/> und ſich recht vors Auge ſtellet: hierinn iſt<lb/> ſonſt Klopſtock ſehr gluͤcklich, nur in dem<lb/><hi rendition="#fr">Trauergeſange</hi> Davids um Jonathan, den<lb/> zwei Saͤnger ſeinem <hi rendition="#fr">Salomo</hi> ſingen, und<lb/> wie ich glaube, in ſeiner neuern Elegie: <hi rendition="#fr">Roth-<lb/> ſchilds Graͤber</hi> ſind einige Verſetzungen zu<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gezwun-</fw>.</note></p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Alle</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0256]
troͤſten, oder noch mehr zu betruͤben *.
Sie bleibt oͤfters bei einem einzigen Gedanken
ſtehen und wiederholt ihn; ja macht unmit-
telbar die Anwendung auf ſich. Daher
koͤmmt die Wiederholung einerlei Worte am
Ende des vorhergehenden, und im Anfange
des folgenden Verſes, welche die Elegien-
dichter oͤfters ſo gluͤcklich anbringen **
Alle
* So wie jede Leidenſchaft ſich der ganzen Welt
mittheilen will: ſo ſucht auch die Betruͤbniß
uͤberall Zeugen und Begleiterinnen ihres
Schmerzes: ſie will ſich nicht widerſprechen
laſſen, und troͤſtet ſich, wenn man ihr
Recht gibt.
** So bald dieſe Wiederholungen regelmaͤßig,
und bei dem dieſem Regelmaͤßig noch dazu
ſchleppend, eintoͤnig und leer werden: ſo ermuͤ-
den ſie, wie z. E. die Elegie Daphnis und
Daphne in der Sammlung verm. Schr. —
So verwirft auch die Elegie oft den Perioden,
heftet ſich auf ein Wort, das ſie wiederholt,
und ſich recht vors Auge ſtellet: hierinn iſt
ſonſt Klopſtock ſehr gluͤcklich, nur in dem
Trauergeſange Davids um Jonathan, den
zwei Saͤnger ſeinem Salomo ſingen, und
wie ich glaube, in ſeiner neuern Elegie: Roth-
ſchilds Graͤber ſind einige Verſetzungen zu
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/256>, abgerufen am 18.07.2024. |