fällt matt zum Boden zurück: ich falle nieder und bete an! - - -
Wer da will, erkläre dieses Traumbild auch von der ganzen Form unserer Litteratur in Deutschland: ich eile zu meinem Zweck. -- Die alten Deutschen nannten die Sprache der Römer, eine barbarische, fürchterliche und hochmüthige Sprache, weil das Volk sie re- dete, das zum Herrschen über die Welt ge- bohren zu seyn glaubte. Sie war das un- glückliche Werkzeug, das freien Nationen De- spotische Gesetze gab: durch sie machten die Römer zu Geiseln die Kinder und die Väter zu Sklaven: durch sie und durch die Wissen- schaften, die mit ihr eingeführet wurden, wan- den sie tapfern Nationen das Schwert aus der Hand, daß sie den Arm entnervt sinken ließen, und den Becher der Ueppigkeit annah- men; durch sie suchten die Römer, die Haine der Deutschen Tapferkeit, Freiheit und Auf- richtigkeit zu zerstören, die Bewohner dieser Wälder in Städte und Schulen zu zwingen, und sie mit Gelehrsamkeit und Unglück zu be- schenken. Daher schauderten die Deutschen vor dieser Sprache, und fochten gegen sie un-
über-
A 5
faͤllt matt zum Boden zuruͤck: ich falle nieder und bete an! ‒ ‒ ‒
Wer da will, erklaͤre dieſes Traumbild auch von der ganzen Form unſerer Litteratur in Deutſchland: ich eile zu meinem Zweck. — Die alten Deutſchen nannten die Sprache der Roͤmer, eine barbariſche, fuͤrchterliche und hochmuͤthige Sprache, weil das Volk ſie re- dete, das zum Herrſchen uͤber die Welt ge- bohren zu ſeyn glaubte. Sie war das un- gluͤckliche Werkzeug, das freien Nationen De- ſpotiſche Geſetze gab: durch ſie machten die Roͤmer zu Geiſeln die Kinder und die Vaͤter zu Sklaven: durch ſie und durch die Wiſſen- ſchaften, die mit ihr eingefuͤhret wurden, wan- den ſie tapfern Nationen das Schwert aus der Hand, daß ſie den Arm entnervt ſinken ließen, und den Becher der Ueppigkeit annah- men; durch ſie ſuchten die Roͤmer, die Haine der Deutſchen Tapferkeit, Freiheit und Auf- richtigkeit zu zerſtoͤren, die Bewohner dieſer Waͤlder in Staͤdte und Schulen zu zwingen, und ſie mit Gelehrſamkeit und Ungluͤck zu be- ſchenken. Daher ſchauderten die Deutſchen vor dieſer Sprache, und fochten gegen ſie un-
uͤber-
A 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0017"n="9"/>
faͤllt matt zum Boden zuruͤck: ich falle nieder<lb/>
und bete an! ‒‒‒</p><lb/><p>Wer da will, erklaͤre dieſes Traumbild<lb/>
auch von der ganzen Form unſerer Litteratur<lb/>
in Deutſchland: ich eile zu meinem Zweck. —<lb/>
Die alten Deutſchen nannten die Sprache<lb/>
der Roͤmer, eine barbariſche, fuͤrchterliche und<lb/>
hochmuͤthige Sprache, weil das Volk ſie re-<lb/>
dete, das zum Herrſchen uͤber die Welt ge-<lb/>
bohren zu ſeyn glaubte. Sie war das un-<lb/>
gluͤckliche Werkzeug, das freien Nationen De-<lb/>ſpotiſche Geſetze gab: durch ſie machten die<lb/>
Roͤmer zu Geiſeln die Kinder und die Vaͤter<lb/>
zu Sklaven: durch ſie und durch die Wiſſen-<lb/>ſchaften, die mit ihr eingefuͤhret wurden, wan-<lb/>
den ſie tapfern Nationen das Schwert aus<lb/>
der Hand, daß ſie den Arm entnervt ſinken<lb/>
ließen, und den Becher der Ueppigkeit annah-<lb/>
men; durch ſie ſuchten die Roͤmer, die Haine<lb/>
der Deutſchen Tapferkeit, Freiheit und Auf-<lb/>
richtigkeit zu zerſtoͤren, die Bewohner dieſer<lb/>
Waͤlder in Staͤdte und Schulen zu zwingen,<lb/>
und ſie mit Gelehrſamkeit und Ungluͤck zu be-<lb/>ſchenken. Daher ſchauderten die Deutſchen<lb/>
vor dieſer Sprache, und fochten gegen ſie un-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">uͤber-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[9/0017]
faͤllt matt zum Boden zuruͤck: ich falle nieder
und bete an! ‒ ‒ ‒
Wer da will, erklaͤre dieſes Traumbild
auch von der ganzen Form unſerer Litteratur
in Deutſchland: ich eile zu meinem Zweck. —
Die alten Deutſchen nannten die Sprache
der Roͤmer, eine barbariſche, fuͤrchterliche und
hochmuͤthige Sprache, weil das Volk ſie re-
dete, das zum Herrſchen uͤber die Welt ge-
bohren zu ſeyn glaubte. Sie war das un-
gluͤckliche Werkzeug, das freien Nationen De-
ſpotiſche Geſetze gab: durch ſie machten die
Roͤmer zu Geiſeln die Kinder und die Vaͤter
zu Sklaven: durch ſie und durch die Wiſſen-
ſchaften, die mit ihr eingefuͤhret wurden, wan-
den ſie tapfern Nationen das Schwert aus
der Hand, daß ſie den Arm entnervt ſinken
ließen, und den Becher der Ueppigkeit annah-
men; durch ſie ſuchten die Roͤmer, die Haine
der Deutſchen Tapferkeit, Freiheit und Auf-
richtigkeit zu zerſtoͤren, die Bewohner dieſer
Waͤlder in Staͤdte und Schulen zu zwingen,
und ſie mit Gelehrſamkeit und Ungluͤck zu be-
ſchenken. Daher ſchauderten die Deutſchen
vor dieſer Sprache, und fochten gegen ſie un-
uͤber-
A 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/17>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.