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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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fällt matt zum Boden zurück: ich falle nieder
und bete an! - - -

Wer da will, erkläre dieses Traumbild
auch von der ganzen Form unserer Litteratur
in Deutschland: ich eile zu meinem Zweck. --
Die alten Deutschen nannten die Sprache
der Römer, eine barbarische, fürchterliche und
hochmüthige Sprache, weil das Volk sie re-
dete, das zum Herrschen über die Welt ge-
bohren zu seyn glaubte. Sie war das un-
glückliche Werkzeug, das freien Nationen De-
spotische Gesetze gab: durch sie machten die
Römer zu Geiseln die Kinder und die Väter
zu Sklaven: durch sie und durch die Wissen-
schaften, die mit ihr eingeführet wurden, wan-
den sie tapfern Nationen das Schwert aus
der Hand, daß sie den Arm entnervt sinken
ließen, und den Becher der Ueppigkeit annah-
men; durch sie suchten die Römer, die Haine
der Deutschen Tapferkeit, Freiheit und Auf-
richtigkeit zu zerstören, die Bewohner dieser
Wälder in Städte und Schulen zu zwingen,
und sie mit Gelehrsamkeit und Unglück zu be-
schenken. Daher schauderten die Deutschen
vor dieser Sprache, und fochten gegen sie un-

über-
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faͤllt matt zum Boden zuruͤck: ich falle nieder
und bete an! ‒ ‒ ‒

Wer da will, erklaͤre dieſes Traumbild
auch von der ganzen Form unſerer Litteratur
in Deutſchland: ich eile zu meinem Zweck. —
Die alten Deutſchen nannten die Sprache
der Roͤmer, eine barbariſche, fuͤrchterliche und
hochmuͤthige Sprache, weil das Volk ſie re-
dete, das zum Herrſchen uͤber die Welt ge-
bohren zu ſeyn glaubte. Sie war das un-
gluͤckliche Werkzeug, das freien Nationen De-
ſpotiſche Geſetze gab: durch ſie machten die
Roͤmer zu Geiſeln die Kinder und die Vaͤter
zu Sklaven: durch ſie und durch die Wiſſen-
ſchaften, die mit ihr eingefuͤhret wurden, wan-
den ſie tapfern Nationen das Schwert aus
der Hand, daß ſie den Arm entnervt ſinken
ließen, und den Becher der Ueppigkeit annah-
men; durch ſie ſuchten die Roͤmer, die Haine
der Deutſchen Tapferkeit, Freiheit und Auf-
richtigkeit zu zerſtoͤren, die Bewohner dieſer
Waͤlder in Staͤdte und Schulen zu zwingen,
und ſie mit Gelehrſamkeit und Ungluͤck zu be-
ſchenken. Daher ſchauderten die Deutſchen
vor dieſer Sprache, und fochten gegen ſie un-

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[9/0017] faͤllt matt zum Boden zuruͤck: ich falle nieder und bete an! ‒ ‒ ‒ Wer da will, erklaͤre dieſes Traumbild auch von der ganzen Form unſerer Litteratur in Deutſchland: ich eile zu meinem Zweck. — Die alten Deutſchen nannten die Sprache der Roͤmer, eine barbariſche, fuͤrchterliche und hochmuͤthige Sprache, weil das Volk ſie re- dete, das zum Herrſchen uͤber die Welt ge- bohren zu ſeyn glaubte. Sie war das un- gluͤckliche Werkzeug, das freien Nationen De- ſpotiſche Geſetze gab: durch ſie machten die Roͤmer zu Geiſeln die Kinder und die Vaͤter zu Sklaven: durch ſie und durch die Wiſſen- ſchaften, die mit ihr eingefuͤhret wurden, wan- den ſie tapfern Nationen das Schwert aus der Hand, daß ſie den Arm entnervt ſinken ließen, und den Becher der Ueppigkeit annah- men; durch ſie ſuchten die Roͤmer, die Haine der Deutſchen Tapferkeit, Freiheit und Auf- richtigkeit zu zerſtoͤren, die Bewohner dieſer Waͤlder in Staͤdte und Schulen zu zwingen, und ſie mit Gelehrſamkeit und Ungluͤck zu be- ſchenken. Daher ſchauderten die Deutſchen vor dieſer Sprache, und fochten gegen ſie un- uͤber- A 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/17>, abgerufen am 29.03.2024.