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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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mit vielleicht überzeugen, "daß er mehr, als
"bloße (d. i. nackte) Recensionen schreiben
"kann; er will uns damit einen überzeugen-
"den Beweis geben, daß er ein Gelehrter
"ist, der sich in den Werken des Alterthums
"umgesehen hat, oder NB. noch umsehen kann,
"welches unsre Recensenten als was ziemlich
"Ueberflüßiges anzusehen anfangen." Dessen
hat er mich auch überzeugt, aber nichts mehr.
Durch den Gebrauch der Mythologie lernt
man nicht gleich mehr, als bloße Verse ma-
chen: wer ein Compendium der Mythologie
durchgelesen, ist noch kein Gelehrter, der
sich in den Werken des Alterthums umgesehen
haben muß: ein Gelehrter ist noch kein Dich-
ter, und ein Alterthumskenner kann sich eben,
wenn er sich im Staube der Alten umsieht,
das poetische Auge verderben: und denn um
sich in den Alten umsehen zu können, lieber
Gott! dazu braucht man ja nicht mytholo-
gische Gedichte gemacht zu haben; so wenig
als der Recens. mythologische Gedichte darf
vertheidigt haben, um sich in den Werken der
Alten umsehen zu können.

Aber
J 2

mit vielleicht uͤberzeugen, „daß er mehr, als
bloße (d. i. nackte) Recenſionen ſchreiben
„kann; er will uns damit einen uͤberzeugen-
„den Beweis geben, daß er ein Gelehrter
„iſt, der ſich in den Werken des Alterthums
„umgeſehen hat, oder NB. noch umſehen kann,
„welches unſre Recenſenten als was ziemlich
„Ueberfluͤßiges anzuſehen anfangen.„ Deſſen
hat er mich auch uͤberzeugt, aber nichts mehr.
Durch den Gebrauch der Mythologie lernt
man nicht gleich mehr, als bloße Verſe ma-
chen: wer ein Compendium der Mythologie
durchgeleſen, iſt noch kein Gelehrter, der
ſich in den Werken des Alterthums umgeſehen
haben muß: ein Gelehrter iſt noch kein Dich-
ter, und ein Alterthumskenner kann ſich eben,
wenn er ſich im Staube der Alten umſieht,
das poetiſche Auge verderben: und denn um
ſich in den Alten umſehen zu koͤnnen, lieber
Gott! dazu braucht man ja nicht mytholo-
giſche Gedichte gemacht zu haben; ſo wenig
als der Recenſ. mythologiſche Gedichte darf
vertheidigt haben, um ſich in den Werken der
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Aber
J 2
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[131/0139] mit vielleicht uͤberzeugen, „daß er mehr, als „bloße (d. i. nackte) Recenſionen ſchreiben „kann; er will uns damit einen uͤberzeugen- „den Beweis geben, daß er ein Gelehrter „iſt, der ſich in den Werken des Alterthums „umgeſehen hat, oder NB. noch umſehen kann, „welches unſre Recenſenten als was ziemlich „Ueberfluͤßiges anzuſehen anfangen.„ Deſſen hat er mich auch uͤberzeugt, aber nichts mehr. Durch den Gebrauch der Mythologie lernt man nicht gleich mehr, als bloße Verſe ma- chen: wer ein Compendium der Mythologie durchgeleſen, iſt noch kein Gelehrter, der ſich in den Werken des Alterthums umgeſehen haben muß: ein Gelehrter iſt noch kein Dich- ter, und ein Alterthumskenner kann ſich eben, wenn er ſich im Staube der Alten umſieht, das poetiſche Auge verderben: und denn um ſich in den Alten umſehen zu koͤnnen, lieber Gott! dazu braucht man ja nicht mytholo- giſche Gedichte gemacht zu haben; ſo wenig als der Recenſ. mythologiſche Gedichte darf vertheidigt haben, um ſich in den Werken der Alten umſehen zu koͤnnen. Aber J 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/139>, abgerufen am 06.05.2024.