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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.

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ten; weil der Erfinder nichts anders im Sin-
ne hatte, als mit ihnen, wie mit Werkzeugen,
höhere Endzwecke zu erreichen. Jst also eine
Weltweisheit mit solchen Kunstwörtern über-
laden, ohne daß man diese Kunstwörter an-
ders gebrauchet, als zum Beschauen: so ver-
wandelt sich mit einemmal das, was bei den
Erfindern eine Rüstkammer zum Gebrauch ge-
wesen war, in eine Galanteriebude, wo man
eins nach dem andern besieht, auskramet, und
höchstens hier und dar etwas puzzet. So ist
die gemeine Art, Philosophie zu lehren, die
eine abgezählte Menge philosophischer Worte
hat, sie ihren Schülern vorzeigt, erklärt, und
dieselbe höchstens mit einigen Exempeln und
Veränderungen bereichert. Der eigentliche
Geist der Weltweisheit aber, ist nicht, wie ich
glaube, zu wissen, was andre vor uns gedacht
und gesagt: sondern es sich eigen zu machen,
wie sie es gedacht und gesagt. Wer Philo-
sophie versteht, erläutert und vorträgt, ist viel-
leicht noch kein Philosoph, und einen jungen
Kopf blos auf diesem Wege fortführen, heißt
noch nicht ihn denken, sondern andern nach-
denken lehren. So viel halte ich von einer

Metho-
G 5

ten; weil der Erfinder nichts anders im Sin-
ne hatte, als mit ihnen, wie mit Werkzeugen,
hoͤhere Endzwecke zu erreichen. Jſt alſo eine
Weltweisheit mit ſolchen Kunſtwoͤrtern uͤber-
laden, ohne daß man dieſe Kunſtwoͤrter an-
ders gebrauchet, als zum Beſchauen: ſo ver-
wandelt ſich mit einemmal das, was bei den
Erfindern eine Ruͤſtkammer zum Gebrauch ge-
weſen war, in eine Galanteriebude, wo man
eins nach dem andern beſieht, auskramet, und
hoͤchſtens hier und dar etwas puzzet. So iſt
die gemeine Art, Philoſophie zu lehren, die
eine abgezaͤhlte Menge philoſophiſcher Worte
hat, ſie ihren Schuͤlern vorzeigt, erklaͤrt, und
dieſelbe hoͤchſtens mit einigen Exempeln und
Veraͤnderungen bereichert. Der eigentliche
Geiſt der Weltweisheit aber, iſt nicht, wie ich
glaube, zu wiſſen, was andre vor uns gedacht
und geſagt: ſondern es ſich eigen zu machen,
wie ſie es gedacht und geſagt. Wer Philo-
ſophie verſteht, erlaͤutert und vortraͤgt, iſt viel-
leicht noch kein Philoſoph, und einen jungen
Kopf blos auf dieſem Wege fortfuͤhren, heißt
noch nicht ihn denken, ſondern andern nach-
denken lehren. So viel halte ich von einer

Metho-
G 5
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[105/0113] ten; weil der Erfinder nichts anders im Sin- ne hatte, als mit ihnen, wie mit Werkzeugen, hoͤhere Endzwecke zu erreichen. Jſt alſo eine Weltweisheit mit ſolchen Kunſtwoͤrtern uͤber- laden, ohne daß man dieſe Kunſtwoͤrter an- ders gebrauchet, als zum Beſchauen: ſo ver- wandelt ſich mit einemmal das, was bei den Erfindern eine Ruͤſtkammer zum Gebrauch ge- weſen war, in eine Galanteriebude, wo man eins nach dem andern beſieht, auskramet, und hoͤchſtens hier und dar etwas puzzet. So iſt die gemeine Art, Philoſophie zu lehren, die eine abgezaͤhlte Menge philoſophiſcher Worte hat, ſie ihren Schuͤlern vorzeigt, erklaͤrt, und dieſelbe hoͤchſtens mit einigen Exempeln und Veraͤnderungen bereichert. Der eigentliche Geiſt der Weltweisheit aber, iſt nicht, wie ich glaube, zu wiſſen, was andre vor uns gedacht und geſagt: ſondern es ſich eigen zu machen, wie ſie es gedacht und geſagt. Wer Philo- ſophie verſteht, erlaͤutert und vortraͤgt, iſt viel- leicht noch kein Philoſoph, und einen jungen Kopf blos auf dieſem Wege fortfuͤhren, heißt noch nicht ihn denken, ſondern andern nach- denken lehren. So viel halte ich von einer Metho- G 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/113>, abgerufen am 21.11.2024.