siehet, und wie sie es sieht, singt; aber die Ordnung der Philosophischen Methode, oder der Vernunft, ist der entgegengesezte Weg, da man, was man denkt, aus dem, was man sieht, beweiset. Diese lezte im Pin- dar zu finden, ist noch wunderbarer, als die Ordnung, die Rückersfelder und E. Schmid in ihm fanden; sie aber, wenn sie auch in Pindarischen Oden wäre, auf Dithyramben anwenden zu wollen, verunziert viele Stücke, wo das historische Thema viel zu sehr durchschimmert, als das stattliche Gebäude zu seyn, womit Pindar seinen Odenplan vergleicht. Wer auch nur von einigen Pin- darischen Oden sich selbst völlige Rechenschast zu geben weiß: wird das beständige Hupfen und rückweise Fliegen unsers Dithyramben- sängers doch nicht mit dem gewaltigen Zuge des Pindarischen Adlers vergleichen, der sich nicht auf Noten und Phrases stüzzt, der nicht zurücksieht, ob man ihn auch erreiche: sondern
-- -- er glüht, er glüht, wenn er zur Sonne zielt, und in ihr Feuer sieht mit starkem unverwandten hellen Blicke, bis er am Thron des Zevs die siebensache Last der Donner mächtig faßt. --
Wenn
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ſiehet, und wie ſie es ſieht, ſingt; aber die Ordnung der Philoſophiſchen Methode, oder der Vernunft, iſt der entgegengeſezte Weg, da man, was man denkt, aus dem, was man ſieht, beweiſet. Dieſe lezte im Pin- dar zu finden, iſt noch wunderbarer, als die Ordnung, die Ruͤckersfelder und E. Schmid in ihm fanden; ſie aber, wenn ſie auch in Pindariſchen Oden waͤre, auf Dithyramben anwenden zu wollen, verunziert viele Stuͤcke, wo das hiſtoriſche Thema viel zu ſehr durchſchimmert, als das ſtattliche Gebaͤude zu ſeyn, womit Pindar ſeinen Odenplan vergleicht. Wer auch nur von einigen Pin- dariſchen Oden ſich ſelbſt voͤllige Rechenſchaſt zu geben weiß: wird das beſtaͤndige Hůpfen und ruͤckweiſe Fliegen unſers Dithyramben- ſaͤngers doch nicht mit dem gewaltigen Zuge des Pindariſchen Adlers vergleichen, der ſich nicht auf Noten und Phraſes ſtuͤzzt, der nicht zuruͤckſieht, ob man ihn auch erreiche: ſondern
— — er gluͤht, er gluͤht, wenn er zur Sonne zielt, und in ihr Feuer ſieht mit ſtarkem unverwandten hellen Blicke, bis er am Thron des Zevs die ſiebenſache Laſt der Donner maͤchtig faßt. —
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ſiehet, und wie ſie es ſieht, ſingt; aber die
Ordnung der Philoſophiſchen Methode, oder
der Vernunft, iſt der entgegengeſezte Weg,
da man, was man denkt, aus dem, was
man ſieht, beweiſet. Dieſe lezte im Pin-
dar zu finden, iſt noch wunderbarer, als die
Ordnung, die Ruͤckersfelder und E. Schmid
in ihm fanden; ſie aber, wenn ſie auch in
Pindariſchen Oden waͤre, auf Dithyramben
anwenden zu wollen, verunziert viele Stuͤcke,
wo das hiſtoriſche Thema viel zu ſehr
durchſchimmert, als das ſtattliche Gebaͤude
zu ſeyn, womit Pindar ſeinen Odenplan
vergleicht. Wer auch nur von einigen Pin-
dariſchen Oden ſich ſelbſt voͤllige Rechenſchaſt
zu geben weiß: wird das beſtaͤndige Hůpfen
und ruͤckweiſe Fliegen unſers Dithyramben-
ſaͤngers doch nicht mit dem gewaltigen Zuge
des Pindariſchen Adlers vergleichen, der ſich
nicht auf Noten und Phraſes ſtuͤzzt, der nicht
zuruͤckſieht, ob man ihn auch erreiche: ſondern
— — er gluͤht, er gluͤht,
wenn er zur Sonne zielt, und in ihr Feuer ſieht
mit ſtarkem unverwandten hellen Blicke,
bis er am Thron des Zevs die ſiebenſache Laſt
der Donner maͤchtig faßt. —
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/163>, abgerufen am 16.02.2025.
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