dung, und jedes Beiwort wird lebendig, und trägt zum Pomp des Ganzen bei: und wenn ich mich wieder zurück in mein Vaterland fin- de: so beklage ich die, so den Homer in einer Uebersezzung lesen wollen, wenn es auch die richtigste wäre. Jhr leset nicht mehr Ho- mer, sondern etwas, was ohngefähr wieder- holet, was Homer in seiner Poetischen Spra- che unnachahmlich sagte.
Sollen wir unsre Sprache durch die Jn- versionen bereichern, die damals in ihrer biegsamen Sprache jedem Wink der Leiden- schaft und des Nachdrucks nachgaben? Ver- sucht es; unsrer Sprache, selbst dem freiesten und verworrensten Klopstockischen Hexameter sind Fesseln der Construktion angelegt worden, die die Harmonie des Griechischen Perioden meistens zerstören werden. Oder sollen wir unsre Sprache in Bildung der Machtwör- ter, nach dem Griechischen üben? Versucht es; wenn ihr gleich ein Schweizer seyd, wer- det ihr die Beiwörter im Homer, Aeschy- lus und Sophokles, oft genug umschrei- ben müssen.
Jch
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dung, und jedes Beiwort wird lebendig, und traͤgt zum Pomp des Ganzen bei: und wenn ich mich wieder zuruͤck in mein Vaterland fin- de: ſo beklage ich die, ſo den Homer in einer Ueberſezzung leſen wollen, wenn es auch die richtigſte waͤre. Jhr leſet nicht mehr Ho- mer, ſondern etwas, was ohngefaͤhr wieder- holet, was Homer in ſeiner Poetiſchen Spra- che unnachahmlich ſagte.
Sollen wir unſre Sprache durch die Jn- verſionen bereichern, die damals in ihrer biegſamen Sprache jedem Wink der Leiden- ſchaft und des Nachdrucks nachgaben? Ver- ſucht es; unſrer Sprache, ſelbſt dem freieſten und verworrenſten Klopſtockiſchen Hexameter ſind Feſſeln der Conſtruktion angelegt worden, die die Harmonie des Griechiſchen Perioden meiſtens zerſtoͤren werden. Oder ſollen wir unſre Sprache in Bildung der Machtwoͤr- ter, nach dem Griechiſchen uͤben? Verſucht es; wenn ihr gleich ein Schweizer ſeyd, wer- det ihr die Beiwoͤrter im Homer, Aeſchy- lus und Sophokles, oft genug umſchrei- ben muͤſſen.
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dung, und jedes Beiwort wird lebendig, und
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de: ſo beklage ich die, ſo den Homer in einer
Ueberſezzung leſen wollen, wenn es auch die
richtigſte waͤre. Jhr leſet nicht mehr Ho-
mer, ſondern etwas, was ohngefaͤhr wieder-
holet, was Homer in ſeiner Poetiſchen Spra-
che unnachahmlich ſagte.
Sollen wir unſre Sprache durch die Jn-
verſionen bereichern, die damals in ihrer
biegſamen Sprache jedem Wink der Leiden-
ſchaft und des Nachdrucks nachgaben? Ver-
ſucht es; unſrer Sprache, ſelbſt dem freieſten
und verworrenſten Klopſtockiſchen Hexameter
ſind Feſſeln der Conſtruktion angelegt worden,
die die Harmonie des Griechiſchen Perioden
meiſtens zerſtoͤren werden. Oder ſollen wir
unſre Sprache in Bildung der Machtwoͤr-
ter, nach dem Griechiſchen uͤben? Verſucht
es; wenn ihr gleich ein Schweizer ſeyd, wer-
det ihr die Beiwoͤrter im Homer, Aeſchy-
lus und Sophokles, oft genug umſchrei-
ben muͤſſen.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/75>, abgerufen am 16.02.2025.
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