Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.Nachahmen können wir hievon also nichts; dung
Nachahmen koͤnnen wir hievon alſo nichts; dung
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0074" n="70"/> <p>Nachahmen koͤnnen wir hievon alſo nichts;<lb/> aber doch gehoͤrt es dazu, um die Alten die-<lb/> ſes Zeitalters Poetiſch zu leſen. Wenn ich<lb/> den Homer leſe, ſo ſtehe ich im Geiſt in Grie-<lb/> chenland auf einem verſammleten Markte, und<lb/> ſtelle mir vor, wie der Sanger Jo, im Plato<lb/> die Rhapſodien ſeines goͤttlichen Dichters mir<lb/> vorſinget, wie er „voll von goͤttlicher Be-<lb/> „geiſterung ſeine Zuhoͤrer ſtaunen macht, wie,<lb/> „wenn er ſich ſelbſt entriſſen, von dem Ulyſ-<lb/> „ſes redet, da er ſich ſeinen Feinden zu er-<lb/> „kennen giebt, oder da Achilles den Hektor<lb/> „anfaͤllet, er bei jedem Fuͤrchterlichen, die Haa-<lb/> „re aufrecht ſtehen, und das Herz ſchlagen<lb/> „macht; wie er jedem die Thraͤnen in die<lb/> „Augen lockt, wenn er von dem Ungluͤck der<lb/> „Andromache, der Hekuba, des Priamus ſin-<lb/> „get. Wie die Corybanten, von der Melodie<lb/> „des Gottes, der ſie begeiſtert, entzuͤckt, ihre<lb/> „trunkene Freude in Worten und Geberden<lb/> „zeigen; ſo begeiſtert ihn Homer, und macht<lb/> „ihn zum goͤttlichen Boten der Goͤtter.„ Jn<lb/> dieſer Entzuͤckung erfuͤllet die ganze Harmonie<lb/> des Hexameters, und die ganze Pracht ſeines<lb/> Perioden mir Ohr und Seele; jede Verbin-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dung</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0074]
Nachahmen koͤnnen wir hievon alſo nichts;
aber doch gehoͤrt es dazu, um die Alten die-
ſes Zeitalters Poetiſch zu leſen. Wenn ich
den Homer leſe, ſo ſtehe ich im Geiſt in Grie-
chenland auf einem verſammleten Markte, und
ſtelle mir vor, wie der Sanger Jo, im Plato
die Rhapſodien ſeines goͤttlichen Dichters mir
vorſinget, wie er „voll von goͤttlicher Be-
„geiſterung ſeine Zuhoͤrer ſtaunen macht, wie,
„wenn er ſich ſelbſt entriſſen, von dem Ulyſ-
„ſes redet, da er ſich ſeinen Feinden zu er-
„kennen giebt, oder da Achilles den Hektor
„anfaͤllet, er bei jedem Fuͤrchterlichen, die Haa-
„re aufrecht ſtehen, und das Herz ſchlagen
„macht; wie er jedem die Thraͤnen in die
„Augen lockt, wenn er von dem Ungluͤck der
„Andromache, der Hekuba, des Priamus ſin-
„get. Wie die Corybanten, von der Melodie
„des Gottes, der ſie begeiſtert, entzuͤckt, ihre
„trunkene Freude in Worten und Geberden
„zeigen; ſo begeiſtert ihn Homer, und macht
„ihn zum goͤttlichen Boten der Goͤtter.„ Jn
dieſer Entzuͤckung erfuͤllet die ganze Harmonie
des Hexameters, und die ganze Pracht ſeines
Perioden mir Ohr und Seele; jede Verbin-
dung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |