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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.

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Drittes Wäldchen.
Pindar lebte in einem Zeitalter, da die Traditio-
nen der heroischen Mythologie, auf welchen mei-
stens der heruntergeerbte Vorzug im Ursprunge
der Städte, der Geschlechter, der Königreiche,
die er sang, beruhete, schon halb in das Licht hi-
storischer Urkunden treten sollten: und da ihn also
die Muse zum National- und Patronymischen
Sänger griechischer Geschlechter und Personen
sandte, so hatte er auch das Geschäfte, den Rest
solcher heroischen Urkunden zu retten, und mit der
Weisheit zu erklären, die sein Zeitalter forderte,
und deren er sich in so vielen Gesängen rühmt.
Wenn mir die Muse Pindars die Muße geben
wird, über den Charakter dieses Thebaners, des
edeln Freundes meiner Jugend, mich ausführlich
zu erklären: so werde ich bei den mythologischen
Expositionen desselben diese poetische Weisheit, die
ein aufbrechender Rosenkeim zur künftigen histori-
schen Wahrheit war, entwickeln, um auch in ihr
Pindarn, als den Sänger seiner Zeit, ohne tolle
Ausschweifungen zu zeigen. Hier stehe so viel:
daß die Geschichte der Argonauten der Situation
gegenwärtiger Ode nicht so fremde ist, als Hr.
Kl. meinet.

Von den Argonauten stammte das Geschlecht
des Arcesilaus ab: und nach griechischer Denkart,
auf welche Ahnen läßt sich herrlicher kommen, als
auf die Argonouten? Die Einnahme, das Anrecht

der
J 2

Drittes Waͤldchen.
Pindar lebte in einem Zeitalter, da die Traditio-
nen der heroiſchen Mythologie, auf welchen mei-
ſtens der heruntergeerbte Vorzug im Urſprunge
der Staͤdte, der Geſchlechter, der Koͤnigreiche,
die er ſang, beruhete, ſchon halb in das Licht hi-
ſtoriſcher Urkunden treten ſollten: und da ihn alſo
die Muſe zum National- und Patronymiſchen
Saͤnger griechiſcher Geſchlechter und Perſonen
ſandte, ſo hatte er auch das Geſchaͤfte, den Reſt
ſolcher heroiſchen Urkunden zu retten, und mit der
Weisheit zu erklaͤren, die ſein Zeitalter forderte,
und deren er ſich in ſo vielen Geſaͤngen ruͤhmt.
Wenn mir die Muſe Pindars die Muße geben
wird, uͤber den Charakter dieſes Thebaners, des
edeln Freundes meiner Jugend, mich ausfuͤhrlich
zu erklaͤren: ſo werde ich bei den mythologiſchen
Expoſitionen deſſelben dieſe poetiſche Weisheit, die
ein aufbrechender Roſenkeim zur kuͤnftigen hiſtori-
ſchen Wahrheit war, entwickeln, um auch in ihr
Pindarn, als den Saͤnger ſeiner Zeit, ohne tolle
Ausſchweifungen zu zeigen. Hier ſtehe ſo viel:
daß die Geſchichte der Argonauten der Situation
gegenwaͤrtiger Ode nicht ſo fremde iſt, als Hr.
Kl. meinet.

Von den Argonauten ſtammte das Geſchlecht
des Arceſilaus ab: und nach griechiſcher Denkart,
auf welche Ahnen laͤßt ſich herrlicher kommen, als
auf die Argonouten? Die Einnahme, das Anrecht

der
J 2
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[131/0137] Drittes Waͤldchen. Pindar lebte in einem Zeitalter, da die Traditio- nen der heroiſchen Mythologie, auf welchen mei- ſtens der heruntergeerbte Vorzug im Urſprunge der Staͤdte, der Geſchlechter, der Koͤnigreiche, die er ſang, beruhete, ſchon halb in das Licht hi- ſtoriſcher Urkunden treten ſollten: und da ihn alſo die Muſe zum National- und Patronymiſchen Saͤnger griechiſcher Geſchlechter und Perſonen ſandte, ſo hatte er auch das Geſchaͤfte, den Reſt ſolcher heroiſchen Urkunden zu retten, und mit der Weisheit zu erklaͤren, die ſein Zeitalter forderte, und deren er ſich in ſo vielen Geſaͤngen ruͤhmt. Wenn mir die Muſe Pindars die Muße geben wird, uͤber den Charakter dieſes Thebaners, des edeln Freundes meiner Jugend, mich ausfuͤhrlich zu erklaͤren: ſo werde ich bei den mythologiſchen Expoſitionen deſſelben dieſe poetiſche Weisheit, die ein aufbrechender Roſenkeim zur kuͤnftigen hiſtori- ſchen Wahrheit war, entwickeln, um auch in ihr Pindarn, als den Saͤnger ſeiner Zeit, ohne tolle Ausſchweifungen zu zeigen. Hier ſtehe ſo viel: daß die Geſchichte der Argonauten der Situation gegenwaͤrtiger Ode nicht ſo fremde iſt, als Hr. Kl. meinet. Von den Argonauten ſtammte das Geſchlecht des Arceſilaus ab: und nach griechiſcher Denkart, auf welche Ahnen laͤßt ſich herrlicher kommen, als auf die Argonouten? Die Einnahme, das Anrecht der J 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische03_1769/137>, abgerufen am 27.11.2024.