Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. mythologischen Namen, jedes fabelhafte Gleichnißaus christlichen Gedichten, als gottlos, falsch, un- gereimt, lächerlich, abergläubisch auskratzen will. Abergläubisch? Muß ich denn einen Pluto glau- ben, wenn ich mich mit Milton an die schöne Flur (und an nichts mehr, als an die schöne Flur,) erin- nere, wo er seine Proserpine entführt haben soll? Lächerlich? Nun warum denn, wenn ich mit einer Erinnerung an den küssenden Jupiter große Jdee erwecke? Lasset Jupiter vorjetzt nur der höchste Held seyn, den ein Dichter denken konnte; wie erhöht das Miltons Adam! Ungereimt? Falsch? An sich selbst immer! aber der historische oder allegori- sche Sinn, in dem ich sie anziehe, der ist nicht ungereimt, der ist nicht falsch! Und endlich gott- los? Nun ja doch, ja! und ich glaube es Herrn Klotzen so, als wenn ich ihn noch in der Vor- stadt zu Görlitz a) predigen hörte; allein Hr. Klotz wird alsdenn seinen Collegen kennen, der Abbten auch der Sünde wider den heil. Geist beschuldigte, weil er eine nichtswürdige Satyre verdeutschet hatte? Jch sehe in Milton, Young, und im vier- zigsten Kapitel Jesaia, was mich anbetrifft, nichts Gottloses. 4. Aber a) Gorlitii cum esset, dixit saepius in villis subur-
banis pro sacris rostris ad populum, quod etiam aliquoties in patria (Ei ja!) ab illo factum est. Harles. vit. philol. ibid. Kritiſche Waͤlder. mythologiſchen Namen, jedes fabelhafte Gleichnißaus chriſtlichen Gedichten, als gottlos, falſch, un- gereimt, laͤcherlich, aberglaͤubiſch auskratzen will. Aberglaͤubiſch? Muß ich denn einen Pluto glau- ben, wenn ich mich mit Milton an die ſchoͤne Flur (und an nichts mehr, als an die ſchoͤne Flur,) erin- nere, wo er ſeine Proſerpine entfuͤhrt haben ſoll? Laͤcherlich? Nun warum denn, wenn ich mit einer Erinnerung an den kuͤſſenden Jupiter große Jdee erwecke? Laſſet Jupiter vorjetzt nur der hoͤchſte Held ſeyn, den ein Dichter denken konnte; wie erhoͤht das Miltons Adam! Ungereimt? Falſch? An ſich ſelbſt immer! aber der hiſtoriſche oder allegori- ſche Sinn, in dem ich ſie anziehe, der iſt nicht ungereimt, der iſt nicht falſch! Und endlich gott- los? Nun ja doch, ja! und ich glaube es Herrn Klotzen ſo, als wenn ich ihn noch in der Vor- ſtadt zu Goͤrlitz a) predigen hoͤrte; allein Hr. Klotz wird alsdenn ſeinen Collegen kennen, der Abbten auch der Suͤnde wider den heil. Geiſt beſchuldigte, weil er eine nichtswuͤrdige Satyre verdeutſchet hatte? Jch ſehe in Milton, Young, und im vier- zigſten Kapitel Jeſaia, was mich anbetrifft, nichts Gottloſes. 4. Aber a) Gorlitii cum eſſet, dixit ſaepius in villis ſubur-
banis pro ſacris roſtris ad populum, quod etiam aliquoties in patria (Ei ja!) ab illo factum eſt. Harleſ. vit. philol. ibid. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <list> <item><pb facs="#f0084" n="78"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/> mythologiſchen Namen, jedes fabelhafte Gleichniß<lb/> aus chriſtlichen Gedichten, als gottlos, falſch, un-<lb/> gereimt, laͤcherlich, aberglaͤubiſch auskratzen will.<lb/><hi rendition="#fr">Aberglaͤubiſch?</hi> Muß ich denn einen Pluto glau-<lb/> ben, wenn ich mich mit Milton an die ſchoͤne Flur<lb/> (und an nichts mehr, als an die ſchoͤne Flur,) erin-<lb/> nere, wo er ſeine Proſerpine entfuͤhrt haben <hi rendition="#fr">ſoll?<lb/> Laͤcherlich?</hi> Nun warum denn, wenn ich mit einer<lb/> Erinnerung an den kuͤſſenden <hi rendition="#fr">Jupiter</hi> große Jdee<lb/> erwecke? Laſſet Jupiter vorjetzt nur der hoͤchſte Held<lb/> ſeyn, den ein Dichter denken konnte; wie erhoͤht<lb/> das Miltons Adam! <hi rendition="#fr">Ungereimt? Falſch?</hi> An<lb/> ſich ſelbſt immer! aber der hiſtoriſche oder allegori-<lb/> ſche Sinn, in dem ich ſie anziehe, der iſt nicht<lb/><hi rendition="#fr">ungereimt,</hi> der iſt nicht <hi rendition="#fr">falſch!</hi> Und endlich <hi rendition="#fr">gott-<lb/> los?</hi> Nun ja doch, ja! und ich glaube es Herrn<lb/> Klotzen ſo, als wenn ich ihn noch in der Vor-<lb/> ſtadt zu Goͤrlitz <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Gorlitii cum eſſet, dixit ſaepius in villis ſubur-<lb/> banis pro ſacris roſtris ad populum, quod etiam<lb/> aliquoties in patria (</hi>Ei ja!<hi rendition="#aq">) ab illo factum eſt.<lb/> Harleſ. vit. philol. ibid.</hi></note> predigen hoͤrte; allein Hr. Klotz<lb/> wird alsdenn ſeinen Collegen kennen, der Abbten<lb/> auch der Suͤnde wider den heil. Geiſt beſchuldigte,<lb/> weil er eine nichtswuͤrdige Satyre verdeutſchet<lb/> hatte? Jch ſehe in Milton, Young, und im vier-<lb/> zigſten Kapitel Jeſaia, was mich anbetrifft, nichts<lb/> Gottloſes.</item> </list><lb/> <fw place="bottom" type="catch">4. Aber</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0084]
Kritiſche Waͤlder.
mythologiſchen Namen, jedes fabelhafte Gleichniß
aus chriſtlichen Gedichten, als gottlos, falſch, un-
gereimt, laͤcherlich, aberglaͤubiſch auskratzen will.
Aberglaͤubiſch? Muß ich denn einen Pluto glau-
ben, wenn ich mich mit Milton an die ſchoͤne Flur
(und an nichts mehr, als an die ſchoͤne Flur,) erin-
nere, wo er ſeine Proſerpine entfuͤhrt haben ſoll?
Laͤcherlich? Nun warum denn, wenn ich mit einer
Erinnerung an den kuͤſſenden Jupiter große Jdee
erwecke? Laſſet Jupiter vorjetzt nur der hoͤchſte Held
ſeyn, den ein Dichter denken konnte; wie erhoͤht
das Miltons Adam! Ungereimt? Falſch? An
ſich ſelbſt immer! aber der hiſtoriſche oder allegori-
ſche Sinn, in dem ich ſie anziehe, der iſt nicht
ungereimt, der iſt nicht falſch! Und endlich gott-
los? Nun ja doch, ja! und ich glaube es Herrn
Klotzen ſo, als wenn ich ihn noch in der Vor-
ſtadt zu Goͤrlitz a) predigen hoͤrte; allein Hr. Klotz
wird alsdenn ſeinen Collegen kennen, der Abbten
auch der Suͤnde wider den heil. Geiſt beſchuldigte,
weil er eine nichtswuͤrdige Satyre verdeutſchet
hatte? Jch ſehe in Milton, Young, und im vier-
zigſten Kapitel Jeſaia, was mich anbetrifft, nichts
Gottloſes.
4. Aber
a) Gorlitii cum eſſet, dixit ſaepius in villis ſubur-
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