Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. Jtalien, Spanien, oder von Böhmen und Bayernausstehlich seyn: eine Epopee von solcher Mischung mag der christlichen Barbarei gefallen; rings um uns scheint das Licht einer geläuterten Religion zu stark, als daß nicht Eine solche Dichtung die andre in den Schatten drängen müßte. Nur setze ich gleich eine Einschränkung hinzu. Nicht deßwegen können beiderlei Geschöpfe nicht auf Einem Schauplatze, in gleich starkem Licht erschei- nen, weil die Eine Art wahre, die andere Lügen- wesen, oder nach Hr. Klotzens Sprache a), inepta, ridicula, falsa, impia, vno verbo superslitionis propria sind, quae a veri Dei cultoribus vsurpari non possunt. Denn ein solcher Dichter schreibt nicht eigentlich, als ein frommer rechtgläubiger Christ, als ein Diener des einzig wahren Gottes, der vor aller Mythologie als vor einem ungereim- ten, lächerlichen, gottlosen, abergläubischen Krame so viel Abscheu hat, wie vor dem bösen Feinde der Hölle; sondern -- als Dichter. Er schreibt nicht eines seligen Todes und des Himmelreichs wegen, sondern nur, (der gottlose Mensch!) um poetisch seine Leser zu täuschen. Er verabscheuet also die Mytho- logie, nicht als ein ungöttliches Wesen, und als eine Geschichte weltlicher Lüste, sondern weil sie in seinem heiligen Poem seinem Zwecke, seiner Lauf- bahn der Gedanken fremde, und dem poetisch an- schau- a) p. 56. bis 86. auf jeder Seite.
Zweites Waͤldchen. Jtalien, Spanien, oder von Boͤhmen und Bayernausſtehlich ſeyn: eine Epopee von ſolcher Miſchung mag der chriſtlichen Barbarei gefallen; rings um uns ſcheint das Licht einer gelaͤuterten Religion zu ſtark, als daß nicht Eine ſolche Dichtung die andre in den Schatten draͤngen muͤßte. Nur ſetze ich gleich eine Einſchraͤnkung hinzu. Nicht deßwegen koͤnnen beiderlei Geſchoͤpfe nicht auf Einem Schauplatze, in gleich ſtarkem Licht erſchei- nen, weil die Eine Art wahre, die andere Luͤgen- weſen, oder nach Hr. Klotzens Sprache a), inepta, ridicula, falſa, impia, vno verbo ſuperſlitionis propria ſind, quae a veri Dei cultoribus vſurpari non poſſunt. Denn ein ſolcher Dichter ſchreibt nicht eigentlich, als ein frommer rechtglaͤubiger Chriſt, als ein Diener des einzig wahren Gottes, der vor aller Mythologie als vor einem ungereim- ten, laͤcherlichen, gottloſen, aberglaͤubiſchen Krame ſo viel Abſcheu hat, wie vor dem boͤſen Feinde der Hoͤlle; ſondern — als Dichter. Er ſchreibt nicht eines ſeligen Todes und des Himmelreichs wegen, ſondern nur, (der gottloſe Menſch!) um poetiſch ſeine Leſer zu taͤuſchen. Er verabſcheuet alſo die Mytho- logie, nicht als ein ungoͤttliches Weſen, und als eine Geſchichte weltlicher Luͤſte, ſondern weil ſie in ſeinem heiligen Poem ſeinem Zwecke, ſeiner Lauf- bahn der Gedanken fremde, und dem poetiſch an- ſchau- a) p. 56. bis 86. auf jeder Seite.
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Zweites Waͤldchen.
Jtalien, Spanien, oder von Boͤhmen und Bayern
ausſtehlich ſeyn: eine Epopee von ſolcher Miſchung
mag der chriſtlichen Barbarei gefallen; rings um
uns ſcheint das Licht einer gelaͤuterten Religion zu
ſtark, als daß nicht Eine ſolche Dichtung die andre
in den Schatten draͤngen muͤßte.
Nur ſetze ich gleich eine Einſchraͤnkung hinzu.
Nicht deßwegen koͤnnen beiderlei Geſchoͤpfe nicht auf
Einem Schauplatze, in gleich ſtarkem Licht erſchei-
nen, weil die Eine Art wahre, die andere Luͤgen-
weſen, oder nach Hr. Klotzens Sprache a), inepta,
ridicula, falſa, impia, vno verbo ſuperſlitionis
propria ſind, quae a veri Dei cultoribus vſurpari
non poſſunt. Denn ein ſolcher Dichter ſchreibt
nicht eigentlich, als ein frommer rechtglaͤubiger
Chriſt, als ein Diener des einzig wahren Gottes,
der vor aller Mythologie als vor einem ungereim-
ten, laͤcherlichen, gottloſen, aberglaͤubiſchen Krame
ſo viel Abſcheu hat, wie vor dem boͤſen Feinde der
Hoͤlle; ſondern — als Dichter. Er ſchreibt nicht
eines ſeligen Todes und des Himmelreichs wegen,
ſondern nur, (der gottloſe Menſch!) um poetiſch ſeine
Leſer zu taͤuſchen. Er verabſcheuet alſo die Mytho-
logie, nicht als ein ungoͤttliches Weſen, und als
eine Geſchichte weltlicher Luͤſte, ſondern weil ſie in
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bahn der Gedanken fremde, und dem poetiſch an-
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