Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Kritische Wälder. "schen dem Soccus und Kothurn aufhöre."Und das sollte Lopez di Vega geglaubt haben? Das kann Hr. Klotz von einem Manne schreiben, dessen Namen ihm Ehrfurcht erwecken sollte? Der spanische Dichter mag selbst reden a), er wird doch besser wissen, was er glaube, oder nicht glaube, als Hr. Kl. "Dem Himmel sei gedankt, noch ehe "ich völlig zehn Jahre gewesen bin, habe ich "die Bücher durchgelesen, die von den Regeln "der dramatischen Dichtkunst handeln. Als "ich aber zu schreiben anfieng, fand ich die Komö- "die bei uns beschaffen, nicht wie die Alten gedacht "haben, daß man sie nach ihnen einrichten würde; "sondern wie sie viele Unwissende verunstaltet, die "dem Volke diesen groben Geschmack beigebracht "haben. Dieser schlechte Geschmack ist so sehr "eingerissen, daß derjenige, der es wagt, nach "den Regeln zu arbeiten, in Gefahr steht, ohne "Ruhm und Belohnung zu sterben; denn unter "Leuten, die sich der Vernunft nicht bedienen "wollen, vermag die Gewohnheit mehr, als alle "Vorstellungen. Es ist wahr, daß ich zuweilen "den Regeln der Kunst, die so wenige kennen, "gefolgt bin; so bald ich aber, auf der andern Seite, "jene blendenden Ungeheuer, wozu das Volk schaa- "renweise läuft, und welche das Frauenzimmer "vergöttert; so bald ich diese auftreten sehe, so kehre "ich a) Neue Bibl. d. sch. W. 1 B. 2. St. p. 213.
Kritiſche Waͤlder. „ſchen dem Soccus und Kothurn aufhoͤre.„Und das ſollte Lopez di Vega geglaubt haben? Das kann Hr. Klotz von einem Manne ſchreiben, deſſen Namen ihm Ehrfurcht erwecken ſollte? Der ſpaniſche Dichter mag ſelbſt reden a), er wird doch beſſer wiſſen, was er glaube, oder nicht glaube, als Hr. Kl. „Dem Himmel ſei gedankt, noch ehe „ich voͤllig zehn Jahre geweſen bin, habe ich „die Buͤcher durchgeleſen, die von den Regeln „der dramatiſchen Dichtkunſt handeln. Als „ich aber zu ſchreiben anfieng, fand ich die Komoͤ- „die bei uns beſchaffen, nicht wie die Alten gedacht „haben, daß man ſie nach ihnen einrichten wuͤrde; „ſondern wie ſie viele Unwiſſende verunſtaltet, die „dem Volke dieſen groben Geſchmack beigebracht „haben. Dieſer ſchlechte Geſchmack iſt ſo ſehr „eingeriſſen, daß derjenige, der es wagt, nach „den Regeln zu arbeiten, in Gefahr ſteht, ohne „Ruhm und Belohnung zu ſterben; denn unter „Leuten, die ſich der Vernunft nicht bedienen „wollen, vermag die Gewohnheit mehr, als alle „Vorſtellungen. Es iſt wahr, daß ich zuweilen „den Regeln der Kunſt, die ſo wenige kennen, „gefolgt bin; ſo bald ich aber, auf der andern Seite, „jene blendenden Ungeheuer, wozu das Volk ſchaa- „renweiſe laͤuft, und welche das Frauenzimmer „vergoͤttert; ſo bald ich dieſe auftreten ſehe, ſo kehre „ich a) Neue Bibl. d. ſch. W. 1 B. 2. St. p. 213.
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Kritiſche Waͤlder.
„ſchen dem Soccus und Kothurn aufhoͤre.„
Und das ſollte Lopez di Vega geglaubt haben?
Das kann Hr. Klotz von einem Manne ſchreiben,
deſſen Namen ihm Ehrfurcht erwecken ſollte? Der
ſpaniſche Dichter mag ſelbſt reden a), er wird doch
beſſer wiſſen, was er glaube, oder nicht glaube, als
Hr. Kl. „Dem Himmel ſei gedankt, noch ehe
„ich voͤllig zehn Jahre geweſen bin, habe ich
„die Buͤcher durchgeleſen, die von den Regeln
„der dramatiſchen Dichtkunſt handeln. Als
„ich aber zu ſchreiben anfieng, fand ich die Komoͤ-
„die bei uns beſchaffen, nicht wie die Alten gedacht
„haben, daß man ſie nach ihnen einrichten wuͤrde;
„ſondern wie ſie viele Unwiſſende verunſtaltet, die
„dem Volke dieſen groben Geſchmack beigebracht
„haben. Dieſer ſchlechte Geſchmack iſt ſo ſehr
„eingeriſſen, daß derjenige, der es wagt, nach
„den Regeln zu arbeiten, in Gefahr ſteht, ohne
„Ruhm und Belohnung zu ſterben; denn unter
„Leuten, die ſich der Vernunft nicht bedienen
„wollen, vermag die Gewohnheit mehr, als alle
„Vorſtellungen. Es iſt wahr, daß ich zuweilen
„den Regeln der Kunſt, die ſo wenige kennen,
„gefolgt bin; ſo bald ich aber, auf der andern Seite,
„jene blendenden Ungeheuer, wozu das Volk ſchaa-
„renweiſe laͤuft, und welche das Frauenzimmer
„vergoͤttert; ſo bald ich dieſe auftreten ſehe, ſo kehre
„ich
a) Neue Bibl. d. ſch. W. 1 B. 2. St. p. 213.
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