mit seiner Schutzrede selbst in Verdacht zu bringen, selbst schamroth zu machen! -- -- Am besten, daß er hinter das ganze Non-sense dieses Haupt- stücks hinten nach sagt: Vom Virgil wußte ich hierüber nichts zu sagen!
Oder soll es die Schamhaftigkeit Virgils aus- machen, daß man ihn gegen die Auslegungen eines Servius rettet? a) So hat man ihn längst, und wir werden sehen, wie fern gerettet.
Oder soll es die Schamhaftigkeit Virgils aus- machen, daß er die Umarmung der Dido nicht mah- len wollen? b) Und wer wird sie mahlen wollen? Hat denn Homer seine Umarmung der Helena ge- mahlet? Ohngeachtet des höflichen non probo! un- sers Autors finde ich Homeren in seiner unschuldig einfältigen Erzälung keuscher, als Virgilen in sei- nem Shandyschen; Macht die Thür zu! und des kahlen: non decet talis pictura carminis epici dignitatem! bin ich, wenn nichts weiter ist, herz- lich müde.
Bei Homer ist blos das Charakteristische im An- trage des Paris der Zweck der Muse; wenn der Antrag und zwar zu der Zeit, in der Situation wegfällt; so falle die ganze Stelle weg: so brauche die Muse diesen Schritt nicht. Bei Virgilen ists die Umarmung seines Paares selbst, die in das
Wesen
a)p. 256.
b)p. 261 -- 263.
M
Zweites Waͤldchen.
mit ſeiner Schutzrede ſelbſt in Verdacht zu bringen, ſelbſt ſchamroth zu machen! — — Am beſten, daß er hinter das ganze Non-ſenſe dieſes Haupt- ſtuͤcks hinten nach ſagt: Vom Virgil wußte ich hieruͤber nichts zu ſagen!
Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus- machen, daß man ihn gegen die Auslegungen eines Servius rettet? a) So hat man ihn laͤngſt, und wir werden ſehen, wie fern gerettet.
Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus- machen, daß er die Umarmung der Dido nicht mah- len wollen? b) Und wer wird ſie mahlen wollen? Hat denn Homer ſeine Umarmung der Helena ge- mahlet? Ohngeachtet des hoͤflichen non probo! un- ſers Autors finde ich Homeren in ſeiner unſchuldig einfaͤltigen Erzaͤlung keuſcher, als Virgilen in ſei- nem Shandyſchen; Macht die Thuͤr zu! und des kahlen: non decet talis pictura carminis epici dignitatem! bin ich, wenn nichts weiter iſt, herz- lich muͤde.
Bei Homer iſt blos das Charakteriſtiſche im An- trage des Paris der Zweck der Muſe; wenn der Antrag und zwar zu der Zeit, in der Situation wegfaͤllt; ſo falle die ganze Stelle weg: ſo brauche die Muſe dieſen Schritt nicht. Bei Virgilen iſts die Umarmung ſeines Paares ſelbſt, die in das
Weſen
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b)p. 261 — 263.
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Zweites Waͤldchen.
mit ſeiner Schutzrede ſelbſt in Verdacht zu bringen,
ſelbſt ſchamroth zu machen! — — Am beſten,
daß er hinter das ganze Non-ſenſe dieſes Haupt-
ſtuͤcks hinten nach ſagt: Vom Virgil wußte ich
hieruͤber nichts zu ſagen!
Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus-
machen, daß man ihn gegen die Auslegungen eines
Servius rettet? a) So hat man ihn laͤngſt, und
wir werden ſehen, wie fern gerettet.
Oder ſoll es die Schamhaftigkeit Virgils aus-
machen, daß er die Umarmung der Dido nicht mah-
len wollen? b) Und wer wird ſie mahlen wollen?
Hat denn Homer ſeine Umarmung der Helena ge-
mahlet? Ohngeachtet des hoͤflichen non probo! un-
ſers Autors finde ich Homeren in ſeiner unſchuldig
einfaͤltigen Erzaͤlung keuſcher, als Virgilen in ſei-
nem Shandyſchen; Macht die Thuͤr zu! und
des kahlen: non decet talis pictura carminis epici
dignitatem! bin ich, wenn nichts weiter iſt, herz-
lich muͤde.
Bei Homer iſt blos das Charakteriſtiſche im An-
trage des Paris der Zweck der Muſe; wenn der
Antrag und zwar zu der Zeit, in der Situation
wegfaͤllt; ſo falle die ganze Stelle weg: ſo brauche
die Muſe dieſen Schritt nicht. Bei Virgilen iſts
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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/183>, abgerufen am 16.02.2025.
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