und Wapenbuch zu malen? -- kaum! alle, wie mich dünkt, haben Ramlern getadelt, und keiner den Grund berührt, der ihn verführt habe, und ein Ramler wird nie ohne Grund irren. Will ich ein allegorisches Lehrlied auf die Freude; so wähle ich Ramlern -- will ich einen Freudengesang, der Freudengöttinn gesungen, so Hagedorn!
Nur gar zu sehr ist Ramler ein Freund sol- cher Allegorien, und zerstört dadurch oft die Har- monie des Liedes. Gefühl ist der Ton der Lieder, und nicht eine Charakteristik allegorischer Wesen, die, wenn sie einmal eine todte Symbole mitten in die Reihe lyrischer Empfindungen hinein stößt, alles, wie Eis, erkältet. Hagedorn singt im Tone des sanftesten Abendvergnügens seinen Morpheus, die Wünsche, das Verlangen seines Herzens: Ram- ler nimmt eine ägyptische Kohle, und reißt eine Hie- roglyphe daraus. Die schwarze Hieroglyphe aber schreckt das Chor aller Abendfreuden aus ein- ander: -- --
Gott der Träume, Kind der Nacht, Das mit Mohn in Händen Gaukelnde Gestalten macht -- --
Gnug! schön zu einer Devise auf ein Bild des Schlafes, nicht zum lyrischen Gesange, nicht zu ei- nem hagedornschen Liede.
Soll-
Kritiſche Waͤlder.
und Wapenbuch zu malen? — kaum! alle, wie mich duͤnkt, haben Ramlern getadelt, und keiner den Grund beruͤhrt, der ihn verfuͤhrt habe, und ein Ramler wird nie ohne Grund irren. Will ich ein allegoriſches Lehrlied auf die Freude; ſo waͤhle ich Ramlern — will ich einen Freudengeſang, der Freudengoͤttinn geſungen, ſo Hagedorn!
Nur gar zu ſehr iſt Ramler ein Freund ſol- cher Allegorien, und zerſtoͤrt dadurch oft die Har- monie des Liedes. Gefuͤhl iſt der Ton der Lieder, und nicht eine Charakteriſtik allegoriſcher Weſen, die, wenn ſie einmal eine todte Symbole mitten in die Reihe lyriſcher Empfindungen hinein ſtoͤßt, alles, wie Eis, erkaͤltet. Hagedorn ſingt im Tone des ſanfteſten Abendvergnuͤgens ſeinen Morpheus, die Wuͤnſche, das Verlangen ſeines Herzens: Ram- ler nimmt eine aͤgyptiſche Kohle, und reißt eine Hie- roglyphe daraus. Die ſchwarze Hieroglyphe aber ſchreckt das Chor aller Abendfreuden aus ein- ander: — —
Gott der Traͤume, Kind der Nacht, Das mit Mohn in Haͤnden Gaukelnde Geſtalten macht — —
Gnug! ſchoͤn zu einer Deviſe auf ein Bild des Schlafes, nicht zum lyriſchen Geſange, nicht zu ei- nem hagedornſchen Liede.
Soll-
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Kritiſche Waͤlder.
und Wapenbuch zu malen? — kaum! alle, wie
mich duͤnkt, haben Ramlern getadelt, und keiner
den Grund beruͤhrt, der ihn verfuͤhrt habe, und ein
Ramler wird nie ohne Grund irren. Will ich
ein allegoriſches Lehrlied auf die Freude; ſo waͤhle
ich Ramlern — will ich einen Freudengeſang,
der Freudengoͤttinn geſungen, ſo Hagedorn!
Nur gar zu ſehr iſt Ramler ein Freund ſol-
cher Allegorien, und zerſtoͤrt dadurch oft die Har-
monie des Liedes. Gefuͤhl iſt der Ton der Lieder,
und nicht eine Charakteriſtik allegoriſcher Weſen,
die, wenn ſie einmal eine todte Symbole mitten in
die Reihe lyriſcher Empfindungen hinein ſtoͤßt, alles,
wie Eis, erkaͤltet. Hagedorn ſingt im Tone des
ſanfteſten Abendvergnuͤgens ſeinen Morpheus, die
Wuͤnſche, das Verlangen ſeines Herzens: Ram-
ler nimmt eine aͤgyptiſche Kohle, und reißt eine Hie-
roglyphe daraus. Die ſchwarze Hieroglyphe aber
ſchreckt das Chor aller Abendfreuden aus ein-
ander: — —
Gott der Traͤume, Kind der Nacht,
Das mit Mohn in Haͤnden
Gaukelnde Geſtalten macht — —
Gnug! ſchoͤn zu einer Deviſe auf ein Bild des
Schlafes, nicht zum lyriſchen Geſange, nicht zu ei-
nem hagedornſchen Liede.
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Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/122>, abgerufen am 16.02.2025.
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