Und zwar jetzt zu ihm als Pfychologen. "Der "Dichter nutzt die Häßlichkeit, um die vermisch- "ten Empfindungen des Lächerlichen und Schreckli- "chen hervorzubringen a). "
Zuerst bemerke ich: daß so verschieden an sich diese zwo Gattungen vermischter Empfindungen Schreckliches und Lächerliches seyn mögen, so bald können sie sich in einander verwandeln. Das Schreckliche, als unschädlich erkannt, wird eben, weil es uns schrecklich dünkte, lächerlich; das Lä- cherliche, als schädlich erkannt, eben weil es uns nur lächerlich dünkte, schrecklich. Vielleicht wer- den beide also das Häßliche aus Einer Ursache, ih- rer verwandten Natur nach, nutzen? Wir wollen forschen:
Nicht alles Lächerliche darf häßlich seyn. Un- ter der großen Menge unschädlicher Kontraste zwi- schen Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten giebts zwar auch einen, der -- häßlich schön heißt, und sich auf mancherlei Weise äußert, z. E. häßlich seyn, und sich schön dünken, häßlich seyn und für schön erkannt werden, häßlich seyn, und durch Aus- zierung schön seyn wollen u. s. w. Allein, diese eigne Gattung lächerlicher Kontraste macht noch nicht alle Gattungen, die ganze Art aus. Der Schwach-starke,
der
a) Laok. p. 232. 233.
R 2
Erſtes Waͤldchen.
22.
Und zwar jetzt zu ihm als Pfychologen. „Der „Dichter nutzt die Haͤßlichkeit, um die vermiſch- „ten Empfindungen des Laͤcherlichen und Schreckli- „chen hervorzubringen a). „
Zuerſt bemerke ich: daß ſo verſchieden an ſich dieſe zwo Gattungen vermiſchter Empfindungen Schreckliches und Laͤcherliches ſeyn moͤgen, ſo bald koͤnnen ſie ſich in einander verwandeln. Das Schreckliche, als unſchaͤdlich erkannt, wird eben, weil es uns ſchrecklich duͤnkte, laͤcherlich; das Laͤ- cherliche, als ſchaͤdlich erkannt, eben weil es uns nur laͤcherlich duͤnkte, ſchrecklich. Vielleicht wer- den beide alſo das Haͤßliche aus Einer Urſache, ih- rer verwandten Natur nach, nutzen? Wir wollen forſchen:
Nicht alles Laͤcherliche darf haͤßlich ſeyn. Un- ter der großen Menge unſchaͤdlicher Kontraſte zwi- ſchen Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten giebts zwar auch einen, der — haͤßlich ſchoͤn heißt, und ſich auf mancherlei Weiſe aͤußert, z. E. haͤßlich ſeyn, und ſich ſchoͤn duͤnken, haͤßlich ſeyn und fuͤr ſchoͤn erkannt werden, haͤßlich ſeyn, und durch Aus- zierung ſchoͤn ſeyn wollen u. ſ. w. Allein, dieſe eigne Gattung laͤcherlicher Kontraſte macht noch nicht alle Gattungen, die ganze Art aus. Der Schwach-ſtarke,
der
a) Laok. p. 232. 233.
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Erſtes Waͤldchen.
22.
Und zwar jetzt zu ihm als Pfychologen. „Der
„Dichter nutzt die Haͤßlichkeit, um die vermiſch-
„ten Empfindungen des Laͤcherlichen und Schreckli-
„chen hervorzubringen a). „
Zuerſt bemerke ich: daß ſo verſchieden an ſich
dieſe zwo Gattungen vermiſchter Empfindungen
Schreckliches und Laͤcherliches ſeyn moͤgen, ſo bald
koͤnnen ſie ſich in einander verwandeln. Das
Schreckliche, als unſchaͤdlich erkannt, wird eben,
weil es uns ſchrecklich duͤnkte, laͤcherlich; das Laͤ-
cherliche, als ſchaͤdlich erkannt, eben weil es uns
nur laͤcherlich duͤnkte, ſchrecklich. Vielleicht wer-
den beide alſo das Haͤßliche aus Einer Urſache, ih-
rer verwandten Natur nach, nutzen? Wir wollen
forſchen:
Nicht alles Laͤcherliche darf haͤßlich ſeyn. Un-
ter der großen Menge unſchaͤdlicher Kontraſte zwi-
ſchen Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten
giebts zwar auch einen, der — haͤßlich ſchoͤn heißt,
und ſich auf mancherlei Weiſe aͤußert, z. E. haͤßlich
ſeyn, und ſich ſchoͤn duͤnken, haͤßlich ſeyn und fuͤr
ſchoͤn erkannt werden, haͤßlich ſeyn, und durch Aus-
zierung ſchoͤn ſeyn wollen u. ſ. w. Allein, dieſe eigne
Gattung laͤcherlicher Kontraſte macht noch nicht alle
Gattungen, die ganze Art aus. Der Schwach-ſtarke,
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a) Laok. p. 232. 233.
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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/265>, abgerufen am 17.02.2025.
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