[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Erstes Wäldchen. die Succession der Worte nicht der Mittelpunkt ih-rer Wirkung. Um diesen Unterschied deutlicher zu machen: Coexi- N 4
Erſtes Waͤldchen. die Succeſſion der Worte nicht der Mittelpunkt ih-rer Wirkung. Um dieſen Unterſchied deutlicher zu machen: Coexi- N 4
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Erſtes Waͤldchen.
die Succeſſion der Worte nicht der Mittelpunkt ih-
rer Wirkung.
Um dieſen Unterſchied deutlicher zu machen:
muß eine Vergleichung zwiſchen zweien durch na-
tuͤrliche Mittel wirkenden Kuͤnſten gemacht werden,
zwiſchen Malerei und Tonkunſt. Hier kann ich ſa-
gen: Malerei wirkt ganz durch den Raum, ſo wie
Muſik durch die Zeitfolge. Was bei jener das
Nebeneinanderſeyn der Farben und Figuren iſt, der
Grund der Schoͤnheit, das iſt bei dieſer das Auf-
einanderfolgen der Toͤne, der Grund des Wohlklan-
ges. Wie bei jener auf dem Anblicke des Coexiſti-
renden das Wohlgefallen, die Wirkung der Kunſt
beruhet; ſo iſt in dieſer das Succeſſive, die Ver-
knuͤpfung und Abwechſelung der Toͤne das Mittel
der muſikaliſchen Wirkung. Wie alſo, kann ich
fortfahren, jene, die Malerei, blos durch ein Blend-
werk, den Begriff der Zeitfolge in uns erwecken
kann: ſo mache ſie dies Nebenwerk nie zu ihrer
Hauptſache, naͤmlich: als Malerei durch Farben,
und doch in der Zeitfolge zu wirken: ſonſt gehet
das Weſen und alle Wirkung der Kunſt verlohren.
Hieruͤber iſt das Farbenklavier Zeuge. Und alſo
im Gegentheile die Muſik, die ganz durch Zeitfolge
wirkt, mache es nie zum Hauptzwecke, Gegenſtaͤnde
des Raums muſikaliſch zu ſchildern, wie unerfahr-
ne Stuͤmper thun. Jene verliere ſich nie aus dem
Coexi-
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