[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. be Verhältniß zu ihrem Bezeichneten, was in derMalerei Figuren und Farben zu dem Jhrigen ha- ben. Können also zwei so verschiedne Dinge ein Drittes, einen ersten Grundsatz zum Unterschiede, zum Wesen beider Künste geben? Die Zeichen der Malerei sind natürlich: die Ver- Malerei wirkt ganz im Raume, neben einan- die
Kritiſche Waͤlder. be Verhaͤltniß zu ihrem Bezeichneten, was in derMalerei Figuren und Farben zu dem Jhrigen ha- ben. Koͤnnen alſo zwei ſo verſchiedne Dinge ein Drittes, einen erſten Grundſatz zum Unterſchiede, zum Weſen beider Kuͤnſte geben? Die Zeichen der Malerei ſind natuͤrlich: die Ver- Malerei wirkt ganz im Raume, neben einan- die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0204" n="198"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/> be Verhaͤltniß zu ihrem Bezeichneten, was in der<lb/> Malerei Figuren und Farben zu dem Jhrigen ha-<lb/> ben. Koͤnnen alſo zwei ſo verſchiedne Dinge ein<lb/> Drittes, einen erſten Grundſatz zum Unterſchiede,<lb/> zum Weſen beider Kuͤnſte geben?</p><lb/> <p>Die Zeichen der Malerei ſind <hi rendition="#fr">natuͤrlich:</hi> die Ver-<lb/> bindung der Zeichen mit der bezeichneten Sache iſt<lb/> in den Eigenſchaften des Bezeichneten ſelbſt gegruͤn-<lb/> det. Die Zeichen der Poeſie ſind <hi rendition="#fr">willkuͤhrlich:</hi><lb/> die artikulirten Toͤne haben mit der Sache nichts<lb/> gemein, die ſie ausdruͤcken ſollen; ſondern ſind nur<lb/> durch eine allgemeine Convention fuͤr Zeichen <hi rendition="#fr">an-<lb/> genommen.</hi> Jhre Natur iſt alſo ſich voͤllig un-<lb/> gleich, und das <hi rendition="#aq">Tertium comparationis</hi> ſchwindet.</p><lb/> <p>Malerei wirkt ganz im Raume, neben einan-<lb/> der, durch Zeichen, die die Sache <hi rendition="#fr">natuͤrlich</hi> zeigen.<lb/> Poeſie aber nicht ſo <hi rendition="#fr">durch die Succeſſion,</hi> wie je-<lb/> ne durch den Raum. <hi rendition="#fr">Auf der Folge</hi> ihrer arti-<lb/> kulirten Toͤne beruhet das nicht, was in der Ma-<lb/> lerei auf dem Nebeneinanderſeyn der Theile beru-<lb/> hete. Das Succeſſive ihrer Zeichen iſt nichts als<lb/><hi rendition="#aq">conditio, ſine qua non,</hi> und alſo blos einige Ein-<lb/> ſchraͤnkung: das Coexiſtiren der Zeichen in der Ma-<lb/> lerei aber iſt Natur der Kunſt, und der Grund der<lb/> maleriſchen Schoͤnheit. Poeſie, wenn ſie freilich<lb/> durch auf einander folgende Toͤne, das iſt, Worte<lb/> wirkt: ſo iſt doch das Aufeinanderfolgen der Toͤne,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0204]
Kritiſche Waͤlder.
be Verhaͤltniß zu ihrem Bezeichneten, was in der
Malerei Figuren und Farben zu dem Jhrigen ha-
ben. Koͤnnen alſo zwei ſo verſchiedne Dinge ein
Drittes, einen erſten Grundſatz zum Unterſchiede,
zum Weſen beider Kuͤnſte geben?
Die Zeichen der Malerei ſind natuͤrlich: die Ver-
bindung der Zeichen mit der bezeichneten Sache iſt
in den Eigenſchaften des Bezeichneten ſelbſt gegruͤn-
det. Die Zeichen der Poeſie ſind willkuͤhrlich:
die artikulirten Toͤne haben mit der Sache nichts
gemein, die ſie ausdruͤcken ſollen; ſondern ſind nur
durch eine allgemeine Convention fuͤr Zeichen an-
genommen. Jhre Natur iſt alſo ſich voͤllig un-
gleich, und das Tertium comparationis ſchwindet.
Malerei wirkt ganz im Raume, neben einan-
der, durch Zeichen, die die Sache natuͤrlich zeigen.
Poeſie aber nicht ſo durch die Succeſſion, wie je-
ne durch den Raum. Auf der Folge ihrer arti-
kulirten Toͤne beruhet das nicht, was in der Ma-
lerei auf dem Nebeneinanderſeyn der Theile beru-
hete. Das Succeſſive ihrer Zeichen iſt nichts als
conditio, ſine qua non, und alſo blos einige Ein-
ſchraͤnkung: das Coexiſtiren der Zeichen in der Ma-
lerei aber iſt Natur der Kunſt, und der Grund der
maleriſchen Schoͤnheit. Poeſie, wenn ſie freilich
durch auf einander folgende Toͤne, das iſt, Worte
wirkt: ſo iſt doch das Aufeinanderfolgen der Toͤne,
die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |