[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Kritische Wälder. von seinen Augen zu nehmen a), und Achilles --hat keinen Nebel vor Augen gehabt! es ist nur so so gesagt, daß seine Augen verdunkelt worden? -- -- Achilles bekommt das Licht seiner Augen wie- der, er erseufzet, er stutzt über das Wunder: er sieht den Spieß auf der Erde, den Mann hinweg! er erstaunt, er spricht mit sich, mit seiner großen Seele, muthmaaßet auf die Götter -- --" Wie? wird ein homerischer Orthodox sagen, ist es nicht ein sträflicher Unglaube, an dem Nebel der Götter zu zweifeln, wenn man ein so augenscheinliches Wunder der Verblendung, eine so feierliche Scene sieht! Wer homerische Götter glaubt, muß auch die Wolke ihrer Hand glauben! -- -- Die Wolkendogmatik der griechischen Götter Fol- a) Iliad. u. v. 341. 342. &c. b) Laok. p. 140. 141.
Kritiſche Waͤlder. von ſeinen Augen zu nehmen a), und Achilles —hat keinen Nebel vor Augen gehabt! es iſt nur ſo ſo geſagt, daß ſeine Augen verdunkelt worden? — — Achilles bekommt das Licht ſeiner Augen wie- der, er erſeufzet, er ſtutzt uͤber das Wunder: er ſieht den Spieß auf der Erde, den Mann hinweg! er erſtaunt, er ſpricht mit ſich, mit ſeiner großen Seele, muthmaaßet auf die Goͤtter — —„ Wie? wird ein homeriſcher Orthodox ſagen, iſt es nicht ein ſtraͤflicher Unglaube, an dem Nebel der Goͤtter zu zweifeln, wenn man ein ſo augenſcheinliches Wunder der Verblendung, eine ſo feierliche Scene ſieht! Wer homeriſche Goͤtter glaubt, muß auch die Wolke ihrer Hand glauben! — — Die Wolkendogmatik der griechiſchen Goͤtter Fol- a) Iliad. ύ. v. 341. 342. &c. b) Laok. p. 140. 141.
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Kritiſche Waͤlder.
von ſeinen Augen zu nehmen a), und Achilles —
hat keinen Nebel vor Augen gehabt! es iſt nur ſo ſo
geſagt, daß ſeine Augen verdunkelt worden? —
— Achilles bekommt das Licht ſeiner Augen wie-
der, er erſeufzet, er ſtutzt uͤber das Wunder: er
ſieht den Spieß auf der Erde, den Mann hinweg!
er erſtaunt, er ſpricht mit ſich, mit ſeiner großen
Seele, muthmaaßet auf die Goͤtter — —„ Wie?
wird ein homeriſcher Orthodox ſagen, iſt es nicht
ein ſtraͤflicher Unglaube, an dem Nebel der Goͤtter
zu zweifeln, wenn man ein ſo augenſcheinliches
Wunder der Verblendung, eine ſo feierliche Scene
ſieht! Wer homeriſche Goͤtter glaubt, muß auch die
Wolke ihrer Hand glauben! — —
Die Wolkendogmatik der griechiſchen Goͤtter
muß Hrn. Leſſing anders bekannt ſeyn, als mir:
denn er faͤhrt fort, Dinge zu behaupten, die wider
alle ſchoͤne Sichtbarkeit homeriſcher Erſcheinungen
laufen. „Unſichtbar ſeyn, ſagt er, iſt der natuͤrli-
„che Zuſtand der Goͤtter Homers; es bedarf keiner
„Blendung, keiner Abſchneidung der Lichtſtralen,
„daß ſie nicht geſehen werden; ſondern es bedarf ei-
„ner Erleuchtung, einer Erhoͤhung des ſterblichen
„Geſichts, wenn ſie geſehen werden ſollen. Zwar
„laͤßt Homer auch Gottheiten ſich dann und wann
„in eine Wolke huͤllen, aber nur alsdenn, wenn ſie von
„andern Goͤttern nicht wollen geſehen werden b).„
Fol-
a) Iliad. ύ. v. 341. 342. &c.
b) Laok. p. 140. 141.
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