[st]äubt ihr Nachdruck einem gemeinen Fran- zösischen Ohr, wie der fallende Strom, der sich in Nebel auflöset. Wie manchen ho- hen Begriff, wie manches edle Wort auch der alten Römersprache hat die Gallische Eitelkeit geschminkt, entnervt, verderbet!
Wenn sich nun, wie offenbar ist, durch diese thörichte Gallicomanie in Deutschland seit einem Jahrhunderte her ganze Stän- de und Volksclassen von einander getrennt haben; mit wem man Deutsch sprach, der war Domestique, (nur mit denen von gleichem Stande sprach man Französisch, und foderte von ihnen diesen jargon als ein Zeichen des Eintritts in die Gesellschaft von guter Erziehung, als ein Standes-Ranges- und Ehrenzeichen;) zur Dienerschaft sprach man wie man zu Knech- ten und Mägden sprechen muß, ein Knecht- und Mägde-Deutsch, weil
[ſt]aͤubt ihr Nachdruck einem gemeinen Fran- zoͤſiſchen Ohr, wie der fallende Strom, der ſich in Nebel aufloͤſet. Wie manchen ho- hen Begriff, wie manches edle Wort auch der alten Roͤmerſprache hat die Galliſche Eitelkeit geſchminkt, entnervt, verderbet!
Wenn ſich nun, wie offenbar iſt, durch dieſe thoͤrichte Gallicomanie in Deutſchland ſeit einem Jahrhunderte her ganze Staͤn- de und Volksclaſſen von einander getrennt haben; mit wem man Deutſch ſprach, der war Domestique, (nur mit denen von gleichem Stande ſprach man Franzoͤſiſch, und foderte von ihnen dieſen jargon als ein Zeichen des Eintritts in die Geſellſchaft von guter Erziehung, als ein Standes-Ranges- und Ehrenzeichen;) zur Dienerſchaft ſprach man wie man zu Knech- ten und Maͤgden ſprechen muß, ein Knecht- und Maͤgde-Deutſch, weil
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ſtaͤubt ihr Nachdruck einem gemeinen Fran-
zoͤſiſchen Ohr, wie der fallende Strom, der
ſich in Nebel aufloͤſet. Wie manchen ho-
hen Begriff, wie manches edle Wort auch
der alten Roͤmerſprache hat die Galliſche
Eitelkeit geſchminkt, entnervt, verderbet!
Wenn ſich nun, wie offenbar iſt, durch
dieſe thoͤrichte Gallicomanie in Deutſchland
ſeit einem Jahrhunderte her ganze Staͤn-
de und Volksclaſſen von einander
getrennt haben; mit wem man Deutſch
ſprach, der war Domestique, (nur mit
denen von gleichem Stande ſprach man
Franzoͤſiſch, und foderte von ihnen dieſen
jargon als ein Zeichen des Eintritts in die
Geſellſchaft von guter Erziehung, als ein
Standes-Ranges- und Ehrenzeichen;) zur
Dienerſchaft ſprach man wie man zu Knech-
ten und Maͤgden ſprechen muß, ein
Knecht- und Maͤgde-Deutſch, weil
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/59>, abgerufen am 26.06.2024.
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