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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

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Versification, der Ton ihrer Contes a rire,
ihre tausend Uebereinkommnisse über das
Schickliche und Unschickliche im Ausdruck,
(welches alles sie Regeln des Ge-
schmacks zu nennen belieben;) wem ist
es fremder als der Deutschen Sprache und
Denkart? Viel leichter können wir uns
unter Griechen und Römer, unter Spa-
nier, Italiäner und Engländer versetzen,
als in ihren Kreis anmuthiger Frivoli-
täten und Wortspiele. Geschieht dies end-
lich, zwingen wir uns von Jugend an die-
se Form auf, gelangen wir mit saurer
Mühe zu der Vortreflichkeit, wozu wenige
gelangen, Französisch zu denken, zu scher-
zen und zu amphibolisiren; was haben wir
gewonnen? Daß der Franzose den Deut-
schen Ungeschmack, die Tudeske Muse,
lobend verhöhnet, und wir unsre natürliche
Denkart einbüßten. Schwerlich giebt es

Verſification, der Ton ihrer Contes à rire,
ihre tauſend Uebereinkommniſſe uͤber das
Schickliche und Unſchickliche im Ausdruck,
(welches alles ſie Regeln des Ge-
ſchmacks zu nennen belieben;) wem iſt
es fremder als der Deutſchen Sprache und
Denkart? Viel leichter koͤnnen wir uns
unter Griechen und Roͤmer, unter Spa-
nier, Italiaͤner und Englaͤnder verſetzen,
als in ihren Kreis anmuthiger Frivoli-
taͤten und Wortſpiele. Geſchieht dies end-
lich, zwingen wir uns von Jugend an die-
ſe Form auf, gelangen wir mit ſaurer
Muͤhe zu der Vortreflichkeit, wozu wenige
gelangen, Franzoͤſiſch zu denken, zu ſcher-
zen und zu amphiboliſiren; was haben wir
gewonnen? Daß der Franzoſe den Deut-
ſchen Ungeſchmack, die Tudeſke Muſe,
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[50/0057] Verſification, der Ton ihrer Contes à rire, ihre tauſend Uebereinkommniſſe uͤber das Schickliche und Unſchickliche im Ausdruck, (welches alles ſie Regeln des Ge- ſchmacks zu nennen belieben;) wem iſt es fremder als der Deutſchen Sprache und Denkart? Viel leichter koͤnnen wir uns unter Griechen und Roͤmer, unter Spa- nier, Italiaͤner und Englaͤnder verſetzen, als in ihren Kreis anmuthiger Frivoli- taͤten und Wortſpiele. Geſchieht dies end- lich, zwingen wir uns von Jugend an die- ſe Form auf, gelangen wir mit ſaurer Muͤhe zu der Vortreflichkeit, wozu wenige gelangen, Franzoͤſiſch zu denken, zu ſcher- zen und zu amphiboliſiren; was haben wir gewonnen? Daß der Franzoſe den Deut- ſchen Ungeſchmack, die Tudeſke Muſe, lobend verhoͤhnet, und wir unſre natuͤrliche Denkart einbuͤßten. Schwerlich giebt es

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/57>, abgerufen am 21.11.2024.