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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

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Mitteldinge von Wahrheit und Lüge uns be-
friedigen will. Denn je gröber der Irrthum,
desto kürzer und gerader der Weg zur Wahr-
heit; da hingegen der verfeinerte Irrthum uns
auf ewig von der Wahrheit entfernt halten
kann, je schwerer uns einleuchtet, daß er Irr-
thum ist.

Der Mann, der bei drohenden Gefahren
der Wahrheit untreu wird, kann die Wahr-
heit doch sehr lieben; und die Wahrheit ver-
giebt ihm seine Untreue, um seiner Liebe
willen. Aber wer nur darauf denkt, die
Wahrheit unter allerlei Larven und Schmin-
ke an den Mann zu bringen, der möchte
wohl gern ihr Kuppler seyn, nur ihr Liebha-
ber ist er nie gewesen. Ich wüßte kaum et-
was Schlechteres als einen solchen Kuppler
der Wahrheit
." *)

*) Th. 13. S. 26.

Mitteldinge von Wahrheit und Luͤge uns be-
friedigen will. Denn je groͤber der Irrthum,
deſto kuͤrzer und gerader der Weg zur Wahr-
heit; da hingegen der verfeinerte Irrthum uns
auf ewig von der Wahrheit entfernt halten
kann, je ſchwerer uns einleuchtet, daß er Irr-
thum iſt.

Der Mann, der bei drohenden Gefahren
der Wahrheit untreu wird, kann die Wahr-
heit doch ſehr lieben; und die Wahrheit ver-
giebt ihm ſeine Untreue, um ſeiner Liebe
willen. Aber wer nur darauf denkt, die
Wahrheit unter allerlei Larven und Schmin-
ke an den Mann zu bringen, der moͤchte
wohl gern ihr Kuppler ſeyn, nur ihr Liebha-
ber iſt er nie geweſen. Ich wuͤßte kaum et-
was Schlechteres als einen ſolchen Kuppler
der Wahrheit
.“ *)

*) Th. 13. S. 26.
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[119/0126] Mitteldinge von Wahrheit und Luͤge uns be- friedigen will. Denn je groͤber der Irrthum, deſto kuͤrzer und gerader der Weg zur Wahr- heit; da hingegen der verfeinerte Irrthum uns auf ewig von der Wahrheit entfernt halten kann, je ſchwerer uns einleuchtet, daß er Irr- thum iſt. Der Mann, der bei drohenden Gefahren der Wahrheit untreu wird, kann die Wahr- heit doch ſehr lieben; und die Wahrheit ver- giebt ihm ſeine Untreue, um ſeiner Liebe willen. Aber wer nur darauf denkt, die Wahrheit unter allerlei Larven und Schmin- ke an den Mann zu bringen, der moͤchte wohl gern ihr Kuppler ſeyn, nur ihr Liebha- ber iſt er nie geweſen. Ich wuͤßte kaum et- was Schlechteres als einen ſolchen Kuppler der Wahrheit.“ *) *) Th. 13. S. 26.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/126>, abgerufen am 24.11.2024.