Gelehrten auf die Nachwelt gebracht werden können: noch größer als der Name Zauberer, Magus, Teufelsbanner; denn unter diesen läuft doch mancher Betrüger mit unter."
46.
"Ich weiß nicht, ob es Pflicht ist, Glück und Leben der Wahrheit aufzuopfern; wenig- stens sind Muth und Entschlossenheit, welche dazu gehören, keine Gaben, die wir uns selbst geben können. Aber das, weiß ich, ist Pflicht, wenn man Wahrheit lehren will, sie ganz oder gar nicht zu lehren; sie klar und rund, ohne Räthsel, ohne Zurückhaltung, ohne Miß- trauen in ihre Kraft und Nützlichkeit zu leh- ren; und die Gaben, welche dazu erfodert werden, stehen in unsrer Gewalt. Wer die nicht erwerben, oder, wenn er sie erworben, nicht brauchen will, der macht sich um den menschlichen Verstand nur schlecht verdient, wenn er grobe Irrthümer uns benimmt, die volle Wahrheit aber vorenthält und mit einem
Gelehrten auf die Nachwelt gebracht werden koͤnnen: noch groͤßer als der Name Zauberer, Magus, Teufelsbanner; denn unter dieſen laͤuft doch mancher Betruͤger mit unter.“
46.
„Ich weiß nicht, ob es Pflicht iſt, Gluͤck und Leben der Wahrheit aufzuopfern; wenig- ſtens ſind Muth und Entſchloſſenheit, welche dazu gehoͤren, keine Gaben, die wir uns ſelbſt geben koͤnnen. Aber das, weiß ich, iſt Pflicht, wenn man Wahrheit lehren will, ſie ganz oder gar nicht zu lehren; ſie klar und rund, ohne Raͤthſel, ohne Zuruͤckhaltung, ohne Miß- trauen in ihre Kraft und Nuͤtzlichkeit zu leh- ren; und die Gaben, welche dazu erfodert werden, ſtehen in unſrer Gewalt. Wer die nicht erwerben, oder, wenn er ſie erworben, nicht brauchen will, der macht ſich um den menſchlichen Verſtand nur ſchlecht verdient, wenn er grobe Irrthuͤmer uns benimmt, die volle Wahrheit aber vorenthaͤlt und mit einem
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Gelehrten auf die Nachwelt gebracht werden
koͤnnen: noch groͤßer als der Name Zauberer,
Magus, Teufelsbanner; denn unter dieſen
laͤuft doch mancher Betruͤger mit unter.“
46.
„Ich weiß nicht, ob es Pflicht iſt, Gluͤck
und Leben der Wahrheit aufzuopfern; wenig-
ſtens ſind Muth und Entſchloſſenheit, welche
dazu gehoͤren, keine Gaben, die wir uns ſelbſt
geben koͤnnen. Aber das, weiß ich, iſt Pflicht,
wenn man Wahrheit lehren will, ſie ganz
oder gar nicht zu lehren; ſie klar und rund,
ohne Raͤthſel, ohne Zuruͤckhaltung, ohne Miß-
trauen in ihre Kraft und Nuͤtzlichkeit zu leh-
ren; und die Gaben, welche dazu erfodert
werden, ſtehen in unſrer Gewalt. Wer die
nicht erwerben, oder, wenn er ſie erworben,
nicht brauchen will, der macht ſich um den
menſchlichen Verſtand nur ſchlecht verdient,
wenn er grobe Irrthuͤmer uns benimmt, die
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/125>, abgerufen am 26.06.2024.
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