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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

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Wilhelm des Eroberers Zeiten nicht für
Eins nehmen darf: so ist doch in allem,
was wir von ihren Sprachen wissen, ihr
nordisches Gewand
unverkennbar. Die
Deutsche Sprache nämlich, zumal in rau-
hen Gegenden, liebt einsylbige Töne.
Hart wird der Schall angestoßen, stark an-
geklungen, damit so viel möglich Alles auf
Einmal gesagt werde. Eine Sylbe soll
alles fassen; die folgenden werden zusam-
mengezogen, und gleichsam verschlungen;
so daß sie selten aushallen und kaum zwi-
schen den Lippen als erstickte Geister
schweben. Die ganze Bildung unsrer
Sprache, am meisten die aus dem Latein
bei uns aufgenommenen Worte und Na-
men beweisen dies; es sind hart zusam-
mengedrängte Laute; und was noch son-
derbarer ist, mit dem Verfolg der Jahr-
hunderte hat sich dies Zusammendrängen

Siebente Samml. E

Wilhelm des Eroberers Zeiten nicht fuͤr
Eins nehmen darf: ſo iſt doch in allem,
was wir von ihren Sprachen wiſſen, ihr
nordiſches Gewand
unverkennbar. Die
Deutſche Sprache naͤmlich, zumal in rau-
hen Gegenden, liebt einſylbige Toͤne.
Hart wird der Schall angeſtoßen, ſtark an-
geklungen, damit ſo viel moͤglich Alles auf
Einmal geſagt werde. Eine Sylbe ſoll
alles faſſen; die folgenden werden zuſam-
mengezogen, und gleichſam verſchlungen;
ſo daß ſie ſelten aushallen und kaum zwi-
ſchen den Lippen als erſtickte Geiſter
ſchweben. Die ganze Bildung unſrer
Sprache, am meiſten die aus dem Latein
bei uns aufgenommenen Worte und Na-
men beweiſen dies; es ſind hart zuſam-
mengedraͤngte Laute; und was noch ſon-
derbarer iſt, mit dem Verfolg der Jahr-
hunderte hat ſich dies Zuſammendraͤngen

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[65/0082] Wilhelm des Eroberers Zeiten nicht fuͤr Eins nehmen darf: ſo iſt doch in allem, was wir von ihren Sprachen wiſſen, ihr nordiſches Gewand unverkennbar. Die Deutſche Sprache naͤmlich, zumal in rau- hen Gegenden, liebt einſylbige Toͤne. Hart wird der Schall angeſtoßen, ſtark an- geklungen, damit ſo viel moͤglich Alles auf Einmal geſagt werde. Eine Sylbe ſoll alles faſſen; die folgenden werden zuſam- mengezogen, und gleichſam verſchlungen; ſo daß ſie ſelten aushallen und kaum zwi- ſchen den Lippen als erſtickte Geiſter ſchweben. Die ganze Bildung unſrer Sprache, am meiſten die aus dem Latein bei uns aufgenommenen Worte und Na- men beweiſen dies; es ſind hart zuſam- mengedraͤngte Laute; und was noch ſon- derbarer iſt, mit dem Verfolg der Jahr- hunderte hat ſich dies Zuſammendraͤngen Siebente Samml. E

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/82>, abgerufen am 08.05.2024.