knüpfte ihn mit mehreren, ja zuletzt mit allen Dichtern: denn -- er war ein Mensch, er dichtete für Menschen. Unvermerkt werden wir also darauf geleitet, zu unter- suchen, was jeder gegen jeden Aehnlichen in und außer seiner Nation, was seine Nation gegen andre vor- und rückwärts sei; und so ziehet uns eine unsichtbare Kette ins Pandämonium, ins Reich der Geister.
Wenn Poesie die Blüthe des mensch- lichen Geistes, der menschlichen Sitten, ja ich möchte sagen das Ideal unsrer Vorstellungsart, die Sprache des Gesammtwunsches und Sehnens der Mensch- heit ist: so, dünkt mich, ist der glücklich, dem diese Blüthe vom Gipfel des Stam- mes der aufgeklärtesten Nation zu brechen vergönnt ist. Es ist wohl kein ge- ringer Vorzug unseres inneren Lebens,
knuͤpfte ihn mit mehreren, ja zuletzt mit allen Dichtern: denn — er war ein Menſch, er dichtete fuͤr Menſchen. Unvermerkt werden wir alſo darauf geleitet, zu unter- ſuchen, was jeder gegen jeden Aehnlichen in und außer ſeiner Nation, was ſeine Nation gegen andre vor- und ruͤckwaͤrts ſei; und ſo ziehet uns eine unſichtbare Kette ins Pandaͤmonium, ins Reich der Geiſter.
Wenn Poeſie die Bluͤthe des menſch- lichen Geiſtes, der menſchlichen Sitten, ja ich moͤchte ſagen das Ideal unſrer Vorſtellungsart, die Sprache des Geſammtwunſches und Sehnens der Menſch- heit iſt: ſo, duͤnkt mich, iſt der gluͤcklich, dem dieſe Bluͤthe vom Gipfel des Stam- mes der aufgeklaͤrteſten Nation zu brechen vergoͤnnt iſt. Es iſt wohl kein ge- ringer Vorzug unſeres inneren Lebens,
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knuͤpfte ihn mit mehreren, ja zuletzt mit
allen Dichtern: denn — er war ein Menſch,
er dichtete fuͤr Menſchen. Unvermerkt
werden wir alſo darauf geleitet, zu unter-
ſuchen, was jeder gegen jeden Aehnlichen
in und außer ſeiner Nation, was ſeine
Nation gegen andre vor- und ruͤckwaͤrts
ſei; und ſo ziehet uns eine unſichtbare
Kette ins Pandaͤmonium, ins Reich
der Geiſter.
Wenn Poeſie die Bluͤthe des menſch-
lichen Geiſtes, der menſchlichen Sitten,
ja ich moͤchte ſagen das Ideal unſrer
Vorſtellungsart, die Sprache des
Geſammtwunſches und Sehnens der Menſch-
heit iſt: ſo, duͤnkt mich, iſt der gluͤcklich,
dem dieſe Bluͤthe vom Gipfel des Stam-
mes der aufgeklaͤrteſten Nation zu
brechen vergoͤnnt iſt. Es iſt wohl kein ge-
ringer Vorzug unſeres inneren Lebens,
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/154>, abgerufen am 28.07.2024.
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