Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite
Gereitzt durch diese Stelle, schlug ich wei-
ter zurück und fand die Geschichte der
Humanität so vorgetragen:
Vernunft, der Gottheit Stral, der rohen Völ-
kern schien,
Hieß aus des Waldes Nacht sie in die Städte
ziehn;
Gab Ordnung und Gesetz, schuf Menschen
aus Barbaren,
Gebot den Wilden selbst, Verträge zu bewah-
ren.
Dies hob der Weisen Ruhm in Griechenland
empor,
Und rief aus Scythien den Anacharsis vor.
So war der Menschheit Recht der Leitstern
alter Weisen;
Doch keiner wagte sich es andern anzuprei-
sen -- --
Die Welt verdankt Dirs nie, unsterblicher
Sokrat!
Dein Fuß betrat zuerst den ungebahnten Pfad.

E 3
Gereitzt durch dieſe Stelle, ſchlug ich wei-
ter zuruͤck und fand die Geſchichte der
Humanitaͤt ſo vorgetragen:
Vernunft, der Gottheit Stral, der rohen Voͤl-
kern ſchien,
Hieß aus des Waldes Nacht ſie in die Staͤdte
ziehn;
Gab Ordnung und Geſetz, ſchuf Menſchen
aus Barbaren,
Gebot den Wilden ſelbſt, Vertraͤge zu bewah-
ren.
Dies hob der Weiſen Ruhm in Griechenland
empor,
Und rief aus Scythien den Anacharſis vor.
So war der Menſchheit Recht der Leitſtern
alter Weiſen;
Doch keiner wagte ſich es andern anzuprei-
ſen — —
Die Welt verdankt Dirs nie, unſterblicher
Sokrat!
Dein Fuß betrat zuerſt den ungebahnten Pfad.

E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0078" n="69"/>
          <l>Gereitzt durch die&#x017F;e Stelle, &#x017F;chlug ich wei-</l><lb/>
          <l>ter zuru&#x0364;ck und fand die <hi rendition="#g">Ge&#x017F;chichte der</hi></l><lb/>
          <l><hi rendition="#g">Humanita&#x0364;t</hi> &#x017F;o vorgetragen:</l><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Vernunft, der Gottheit Stral, der rohen Vo&#x0364;l-</l><lb/>
            <l>kern &#x017F;chien,</l><lb/>
            <l>Hieß aus des Waldes Nacht &#x017F;ie in die Sta&#x0364;dte</l><lb/>
            <l>ziehn;</l><lb/>
            <l>Gab Ordnung und Ge&#x017F;etz, &#x017F;chuf Men&#x017F;chen</l><lb/>
            <l>aus Barbaren,</l><lb/>
            <l>Gebot den Wilden &#x017F;elb&#x017F;t, Vertra&#x0364;ge zu bewah-</l><lb/>
            <l>ren.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Dies hob der Wei&#x017F;en Ruhm in Griechenland</l><lb/>
            <l>empor,</l><lb/>
            <l>Und rief aus Scythien den Anachar&#x017F;is vor.</l><lb/>
            <l>So war der Men&#x017F;chheit Recht der Leit&#x017F;tern</l><lb/>
            <l>alter Wei&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Doch keiner wagte &#x017F;ich es andern anzuprei-</l><lb/>
            <l>&#x017F;en &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
            <l>Die Welt verdankt Dirs nie, un&#x017F;terblicher</l><lb/>
            <l>Sokrat!</l><lb/>
            <l>Dein Fuß betrat zuer&#x017F;t den ungebahnten Pfad.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0078] Gereitzt durch dieſe Stelle, ſchlug ich wei- ter zuruͤck und fand die Geſchichte der Humanitaͤt ſo vorgetragen: Vernunft, der Gottheit Stral, der rohen Voͤl- kern ſchien, Hieß aus des Waldes Nacht ſie in die Staͤdte ziehn; Gab Ordnung und Geſetz, ſchuf Menſchen aus Barbaren, Gebot den Wilden ſelbſt, Vertraͤge zu bewah- ren. Dies hob der Weiſen Ruhm in Griechenland empor, Und rief aus Scythien den Anacharſis vor. So war der Menſchheit Recht der Leitſtern alter Weiſen; Doch keiner wagte ſich es andern anzuprei- ſen — — Die Welt verdankt Dirs nie, unſterblicher Sokrat! Dein Fuß betrat zuerſt den ungebahnten Pfad. E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/78
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/78>, abgerufen am 21.11.2024.