Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794.Gefühl gründet. Es kommen starke Stel- Neulich kam mir ein Lehrgedicht zu Sei liebreich mit Vernunft; nur weise Huld ist ächt, Giebt Jedem was sie soll und kränket keines Recht. E 2
Gefuͤhl gruͤndet. Es kommen ſtarke Stel- Neulich kam mir ein Lehrgedicht zu Sei liebreich mit Vernunft; nur weiſe Huld iſt aͤcht, Giebt Jedem was ſie ſoll und kraͤnket keines Recht. E 2
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Gefuͤhl gruͤndet. Es kommen ſtarke Stel-
len daruͤber, auch als Pflicht, als Geſetz
betrachtet, in ihm vor; im Ganzen aber,
ſcheint mirs, hat er, um ſeine Moral lie-
benswuͤrdig zu machen, mit der menſchli-
chen Natur etwas zu ſehr getaͤndelt. Hier
muß man hinter allem doch endlich mit der
Stoiſchen Philoſophie zum alten Wort
Gottes zuruͤckgehen: „Du ſollt! du
ſollt nicht!“ ſofern uns dies nicht Con-
venienz, Geſchmack und Vergnuͤgen, ſon-
dern Pflicht und Vernunft vorhaͤlt.
Neulich kam mir ein Lehrgedicht zu
Handen, wo mir zuerſt folgende Stelle in
die Augen fiel:
Sei liebreich mit Vernunft; nur weiſe Huld
iſt aͤcht,
Giebt Jedem was ſie ſoll und kraͤnket keines
Recht.
E 2
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Zitationshilfe: | Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 3. Riga, 1794, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet03_1794/76>, abgerufen am 16.02.2025. |