Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


das krause Haar wird röthlich: die Augapfel werden grün:
das Aufgeworfne der Lippen mindert sich und die Statur
wird kleiner. An der gegenseitigen Küste Zanquebar findet
sich eben diese Olivenfarbe, nur bei einer größern Gestalt
und regelmäßigern Bildung wieder. Die Hottentotten und
Kaffern endlich sind Rückgänge der Neger- in eine andre
Bildung. Die Nase jener fängt an, etwas von der ge-
quetschten Plattigkeit, die Lippe von ihrer geschwollnen Dicke
zu verlieren: das Haar ist die Mitte zwischen der Wolle der
Neger und dem Haar andrer Völker: ihre Farbe ist gelb-
braun: ihr Wuchs wie der meisten Europäer, nur mit klei-
nern Händen und Füßena). Kennten wir nun noch die
zahlreichen Völkerschaften, die über ihren dürren Gegenden
im Jnnersten von Afrika bis nach Abeßinien hinauf wohnen
und bei welchen, nach manchen Anzeigen an den Grenzen,
Fruchtbarkeit des Landes, Schönheit, Stärke, Cultur und
Kunst zunehmen sollen: so könnten wir die Schattierungen
des Völkergemäldes in diesem großen Welttheil vollenden
und würden vielleicht nirgend eine Lücke finden.

Aber wie arm sind wir überhaupt an geltenden Nach-
richten aus diesem Strich der Erde! Kaum die Küsten des
Landes kennen wir und auch diese oft nicht weiter, als die

Euro-
a) Sparmanns Reisen S. 172.


das krauſe Haar wird roͤthlich: die Augapfel werden gruͤn:
das Aufgeworfne der Lippen mindert ſich und die Statur
wird kleiner. An der gegenſeitigen Kuͤſte Zanquebar findet
ſich eben dieſe Olivenfarbe, nur bei einer groͤßern Geſtalt
und regelmaͤßigern Bildung wieder. Die Hottentotten und
Kaffern endlich ſind Ruͤckgaͤnge der Neger- in eine andre
Bildung. Die Naſe jener faͤngt an, etwas von der ge-
quetſchten Plattigkeit, die Lippe von ihrer geſchwollnen Dicke
zu verlieren: das Haar iſt die Mitte zwiſchen der Wolle der
Neger und dem Haar andrer Voͤlker: ihre Farbe iſt gelb-
braun: ihr Wuchs wie der meiſten Europaͤer, nur mit klei-
nern Haͤnden und Fuͤßena). Kennten wir nun noch die
zahlreichen Voͤlkerſchaften, die uͤber ihren duͤrren Gegenden
im Jnnerſten von Afrika bis nach Abeßinien hinauf wohnen
und bei welchen, nach manchen Anzeigen an den Grenzen,
Fruchtbarkeit des Landes, Schoͤnheit, Staͤrke, Cultur und
Kunſt zunehmen ſollen: ſo koͤnnten wir die Schattierungen
des Voͤlkergemaͤldes in dieſem großen Welttheil vollenden
und wuͤrden vielleicht nirgend eine Luͤcke finden.

Aber wie arm ſind wir uͤberhaupt an geltenden Nach-
richten aus dieſem Strich der Erde! Kaum die Kuͤſten des
Landes kennen wir und auch dieſe oft nicht weiter, als die

Euro-
a) Sparmanns Reiſen S. 172.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="39"/><lb/>
das krau&#x017F;e Haar wird ro&#x0364;thlich: die Augapfel werden gru&#x0364;n:<lb/>
das Aufgeworfne der Lippen mindert &#x017F;ich und die Statur<lb/>
wird kleiner. An der gegen&#x017F;eitigen Ku&#x0364;&#x017F;te Zanquebar findet<lb/>
&#x017F;ich eben die&#x017F;e Olivenfarbe, nur bei einer gro&#x0364;ßern Ge&#x017F;talt<lb/>
und regelma&#x0364;ßigern Bildung wieder. Die Hottentotten und<lb/>
Kaffern endlich &#x017F;ind Ru&#x0364;ckga&#x0364;nge der Neger- in eine andre<lb/>
Bildung. Die Na&#x017F;e jener fa&#x0364;ngt an, etwas von der ge-<lb/>
quet&#x017F;chten Plattigkeit, die Lippe von ihrer ge&#x017F;chwollnen Dicke<lb/>
zu verlieren: das Haar i&#x017F;t die Mitte zwi&#x017F;chen der Wolle der<lb/>
Neger und dem Haar andrer Vo&#x0364;lker: ihre Farbe i&#x017F;t gelb-<lb/>
braun: ihr Wuchs wie der mei&#x017F;ten Europa&#x0364;er, nur mit klei-<lb/>
nern Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;ßen<note place="foot" n="a)">Sparmanns Rei&#x017F;en S. 172.</note>. Kennten wir nun noch die<lb/>
zahlreichen Vo&#x0364;lker&#x017F;chaften, die u&#x0364;ber ihren du&#x0364;rren Gegenden<lb/>
im Jnner&#x017F;ten von Afrika bis nach Abeßinien hinauf wohnen<lb/>
und bei welchen, nach manchen Anzeigen an den Grenzen,<lb/>
Fruchtbarkeit des Landes, Scho&#x0364;nheit, Sta&#x0364;rke, Cultur und<lb/>
Kun&#x017F;t zunehmen &#x017F;ollen: &#x017F;o ko&#x0364;nnten wir die Schattierungen<lb/>
des Vo&#x0364;lkergema&#x0364;ldes in die&#x017F;em großen Welttheil vollenden<lb/>
und wu&#x0364;rden vielleicht nirgend eine Lu&#x0364;cke finden.</p><lb/>
          <p>Aber wie arm &#x017F;ind wir u&#x0364;berhaupt an geltenden Nach-<lb/>
richten aus die&#x017F;em Strich der Erde! Kaum die Ku&#x0364;&#x017F;ten des<lb/>
Landes kennen wir und auch die&#x017F;e oft nicht weiter, als die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Euro-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0051] das krauſe Haar wird roͤthlich: die Augapfel werden gruͤn: das Aufgeworfne der Lippen mindert ſich und die Statur wird kleiner. An der gegenſeitigen Kuͤſte Zanquebar findet ſich eben dieſe Olivenfarbe, nur bei einer groͤßern Geſtalt und regelmaͤßigern Bildung wieder. Die Hottentotten und Kaffern endlich ſind Ruͤckgaͤnge der Neger- in eine andre Bildung. Die Naſe jener faͤngt an, etwas von der ge- quetſchten Plattigkeit, die Lippe von ihrer geſchwollnen Dicke zu verlieren: das Haar iſt die Mitte zwiſchen der Wolle der Neger und dem Haar andrer Voͤlker: ihre Farbe iſt gelb- braun: ihr Wuchs wie der meiſten Europaͤer, nur mit klei- nern Haͤnden und Fuͤßen a). Kennten wir nun noch die zahlreichen Voͤlkerſchaften, die uͤber ihren duͤrren Gegenden im Jnnerſten von Afrika bis nach Abeßinien hinauf wohnen und bei welchen, nach manchen Anzeigen an den Grenzen, Fruchtbarkeit des Landes, Schoͤnheit, Staͤrke, Cultur und Kunſt zunehmen ſollen: ſo koͤnnten wir die Schattierungen des Voͤlkergemaͤldes in dieſem großen Welttheil vollenden und wuͤrden vielleicht nirgend eine Luͤcke finden. Aber wie arm ſind wir uͤberhaupt an geltenden Nach- richten aus dieſem Strich der Erde! Kaum die Kuͤſten des Landes kennen wir und auch dieſe oft nicht weiter, als die Euro- a) Sparmanns Reiſen S. 172.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/51
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/51>, abgerufen am 03.05.2024.