Kreislauf bestimmter Organisationen gebunden, aus dem sie nicht weichen kann, weil der bildende Geist sich allem einver- leibt hat, dem er sich einverleiben konnte. Daß nun aber ein solches Kunstwerk nicht ewig bestehen könne, daß der Kreis- lauf, der einen Anfang gehabt hat, nothwendig auch ein En- de haben müsse, ist Natur der Sache. Die schöne Schöpfung arbeitet sich zum Chaos, wie sie aus einem Chaos sich heraus- arbeitete: ihre Formen nützen sich ab: jeder Organismus ver- feint sich und altert. Auch der große Organismus der Erde muß also sein Grab finden, aus dem er, wenn seine Zeit kommt, zu einer neuen Gestalt emporsteigt.
VI. Fortsetzung der ältesten Schrifttradition über den Anfang der Menschengeschichte.
Gefallen meinem Leser die reinen Jdeen dieser alten Tradi- tion, die ich ohne Hypothese oder Verzierung dahingestellt ha- be: so lasset uns dieselbe verfolgen, wenn wir zuvor noch auf das Ganze dieses Schöpfungsgemäldes einen Blick geworfen haben. Wodurch zeichnet es sich vor allen Mährchen und Traditionen der höheren Asiaten so einzig aus? Durch Zu-
sammen-
Kreislauf beſtimmter Organiſationen gebunden, aus dem ſie nicht weichen kann, weil der bildende Geiſt ſich allem einver- leibt hat, dem er ſich einverleiben konnte. Daß nun aber ein ſolches Kunſtwerk nicht ewig beſtehen koͤnne, daß der Kreis- lauf, der einen Anfang gehabt hat, nothwendig auch ein En- de haben muͤſſe, iſt Natur der Sache. Die ſchoͤne Schoͤpfung arbeitet ſich zum Chaos, wie ſie aus einem Chaos ſich heraus- arbeitete: ihre Formen nuͤtzen ſich ab: jeder Organismus ver- feint ſich und altert. Auch der große Organismus der Erde muß alſo ſein Grab finden, aus dem er, wenn ſeine Zeit kommt, zu einer neuen Geſtalt emporſteigt.
VI. Fortſetzung der aͤlteſten Schrifttradition uͤber den Anfang der Menſchengeſchichte.
Gefallen meinem Leſer die reinen Jdeen dieſer alten Tradi- tion, die ich ohne Hypotheſe oder Verzierung dahingeſtellt ha- be: ſo laſſet uns dieſelbe verfolgen, wenn wir zuvor noch auf das Ganze dieſes Schoͤpfungsgemaͤldes einen Blick geworfen haben. Wodurch zeichnet es ſich vor allen Maͤhrchen und Traditionen der hoͤheren Aſiaten ſo einzig aus? Durch Zu-
ſammen-
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Kreislauf beſtimmter Organiſationen gebunden, aus dem ſie
nicht weichen kann, weil der bildende Geiſt ſich allem einver-
leibt hat, dem er ſich einverleiben konnte. Daß nun aber ein
ſolches Kunſtwerk nicht ewig beſtehen koͤnne, daß der Kreis-
lauf, der einen Anfang gehabt hat, nothwendig auch ein En-
de haben muͤſſe, iſt Natur der Sache. Die ſchoͤne Schoͤpfung
arbeitet ſich zum Chaos, wie ſie aus einem Chaos ſich heraus-
arbeitete: ihre Formen nuͤtzen ſich ab: jeder Organismus ver-
feint ſich und altert. Auch der große Organismus der Erde
muß alſo ſein Grab finden, aus dem er, wenn ſeine Zeit kommt,
zu einer neuen Geſtalt emporſteigt.
VI.
Fortſetzung der aͤlteſten Schrifttradition uͤber
den Anfang der Menſchengeſchichte.
Gefallen meinem Leſer die reinen Jdeen dieſer alten Tradi-
tion, die ich ohne Hypotheſe oder Verzierung dahingeſtellt ha-
be: ſo laſſet uns dieſelbe verfolgen, wenn wir zuvor noch auf
das Ganze dieſes Schoͤpfungsgemaͤldes einen Blick geworfen
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/338>, abgerufen am 16.02.2025.
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