letzte findet nicht statt, da der Bau der Erde und die auf ein- ander gegründete Organisation der Geschöpfe gnugsam be- weiset, daß alles Jrrdische als Ein Kunstgebäude einen Anfang genommen und sich vom Niedrigern zum Höheren hinaufge- arbeitet habe; wie aber nun das Erste? Warum schloß sich die Werkstäte der Schöpfung und weder das Meer noch die Erde wallet jetzt von neuen Gattungen lebendiger Wesen auf? so daß die Schöpfungskraft zu ruhen scheinet und nur durch die Organe festgestelleter Ordnungen und Geschlechter wirket. Unser Naturweise giebt uns mit dem wirkenden Wesen, das er zur Triebfeder der ganzen Schöpfung macht, auch hierüber physischen Aufschluß. Wenn es das Licht oder Feuerelement war, was die Masse trennte, den Himmel erhob, die Luft ela- stisch machte und die Erde bis zur Vegetation bereitete: es gestaltete die Samen der Dinge und organisirte sich vom nie- drigsten bis zum feinsten Leben hinauf; vollendet war also die Schöpfung, da nach dem Wort des Ewigen, d. i. nach seiner ordnenden Weisheit diese Lebenskräfte vertheilt waren und alle Gestalten angenommen hatten, die sich auf unserm Planeten erhalten konnten und sollten. Die re- ge Wärme, mit der der brütende Geist über den Wassern der Schöpfung schwebte und die sich schon in den unterierdischen frühern Gebilden, ja in ihnen mit einer Fülle und Kraft of- fenbart, mit der jetzt weder Meer noch Erde etwas hervorzu-
bringen
letzte findet nicht ſtatt, da der Bau der Erde und die auf ein- ander gegruͤndete Organiſation der Geſchoͤpfe gnugſam be- weiſet, daß alles Jrrdiſche als Ein Kunſtgebaͤude einen Anfang genommen und ſich vom Niedrigern zum Hoͤheren hinaufge- arbeitet habe; wie aber nun das Erſte? Warum ſchloß ſich die Werkſtaͤte der Schoͤpfung und weder das Meer noch die Erde wallet jetzt von neuen Gattungen lebendiger Weſen auf? ſo daß die Schoͤpfungskraft zu ruhen ſcheinet und nur durch die Organe feſtgeſtelleter Ordnungen und Geſchlechter wirket. Unſer Naturweiſe giebt uns mit dem wirkenden Weſen, das er zur Triebfeder der ganzen Schoͤpfung macht, auch hieruͤber phyſiſchen Aufſchluß. Wenn es das Licht oder Feuerelement war, was die Maſſe trennte, den Himmel erhob, die Luft ela- ſtiſch machte und die Erde bis zur Vegetation bereitete: es geſtaltete die Samen der Dinge und organiſirte ſich vom nie- drigſten bis zum feinſten Leben hinauf; vollendet war alſo die Schoͤpfung, da nach dem Wort des Ewigen, d. i. nach ſeiner ordnenden Weisheit dieſe Lebenskraͤfte vertheilt waren und alle Geſtalten angenommen hatten, die ſich auf unſerm Planeten erhalten konnten und ſollten. Die re- ge Waͤrme, mit der der bruͤtende Geiſt uͤber den Waſſern der Schoͤpfung ſchwebte und die ſich ſchon in den unterierdiſchen fruͤhern Gebilden, ja in ihnen mit einer Fuͤlle und Kraft of- fenbart, mit der jetzt weder Meer noch Erde etwas hervorzu-
bringen
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letzte findet nicht ſtatt, da der Bau der Erde und die auf ein-
ander gegruͤndete Organiſation der Geſchoͤpfe gnugſam be-
weiſet, daß alles Jrrdiſche als Ein Kunſtgebaͤude einen Anfang
genommen und ſich vom Niedrigern zum Hoͤheren hinaufge-
arbeitet habe; wie aber nun das Erſte? Warum ſchloß ſich
die Werkſtaͤte der Schoͤpfung und weder das Meer noch die
Erde wallet jetzt von neuen Gattungen lebendiger Weſen auf?
ſo daß die Schoͤpfungskraft zu ruhen ſcheinet und nur durch
die Organe feſtgeſtelleter Ordnungen und Geſchlechter wirket.
Unſer Naturweiſe giebt uns mit dem wirkenden Weſen, das
er zur Triebfeder der ganzen Schoͤpfung macht, auch hieruͤber
phyſiſchen Aufſchluß. Wenn es das Licht oder Feuerelement
war, was die Maſſe trennte, den Himmel erhob, die Luft ela-
ſtiſch machte und die Erde bis zur Vegetation bereitete: es
geſtaltete die Samen der Dinge und organiſirte ſich vom nie-
drigſten bis zum feinſten Leben hinauf; vollendet war alſo die
Schoͤpfung, da nach dem Wort des Ewigen, d. i. nach ſeiner
ordnenden Weisheit dieſe Lebenskraͤfte vertheilt waren
und alle Geſtalten angenommen hatten, die ſich auf
unſerm Planeten erhalten konnten und ſollten. Die re-
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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