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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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anfängt und sich beim letzten edelsten Kunstwerk der Elohim
vollendet.

Mit Freude und Verwunderung trete ich also vor die
reiche Beschreibung der Menschenschöpfung: denn sie ist der
Jnhalt meines Buchs und glücklicher Weise auch dessen Sie-
gel. Die Elohim rathschlagen mit einander, und drücken
dieser Rathschlagung Bild in den werdenden Menschen: Ver-
stand und Ueberlegung also ist sein auszeichnender Charakter.
Sie bilden ihn zu ihrem Gleichniß und alle Morgenlän-
der setzen dies vorzüglich in der aufgerichteten Gestalt des Kör-
pers. Jhm ward der Charakter eingeprägt, zu herr-
schen über die Erde:
seiner Gattung also ward der organi-
sche Vorzug gegeben, sie allenthalben erfüllen zu können und
als das fruchtbarste Geschöpf unter den edlern Thieren in allen
Klimaten als Stellvertreter der Elohim, als sichtbare Vorse-
hung, als wirkender Gott zu leben. Siehe da die älteste
Philosophie der Menschengeschichte.

Und nun, da das Rad des Werdens bis zur letzten herr-
schenden Triebfeder vollendet war, ruhete Elohim und schuf
nicht weiter:
ja er ist auf dem Schauplatz der Schöpfung
so verborgen, als ob alles sich selbst hervorgebracht hätte und
in nothwendigen Generationen ewig also gewesen wäre. Das

letzte
S s 2

anfaͤngt und ſich beim letzten edelſten Kunſtwerk der Elohim
vollendet.

Mit Freude und Verwunderung trete ich alſo vor die
reiche Beſchreibung der Menſchenſchoͤpfung: denn ſie iſt der
Jnhalt meines Buchs und gluͤcklicher Weiſe auch deſſen Sie-
gel. Die Elohim rathſchlagen mit einander, und druͤcken
dieſer Rathſchlagung Bild in den werdenden Menſchen: Ver-
ſtand und Ueberlegung alſo iſt ſein auszeichnender Charakter.
Sie bilden ihn zu ihrem Gleichniß und alle Morgenlaͤn-
der ſetzen dies vorzuͤglich in der aufgerichteten Geſtalt des Koͤr-
pers. Jhm ward der Charakter eingepraͤgt, zu herr-
ſchen uͤber die Erde:
ſeiner Gattung alſo ward der organi-
ſche Vorzug gegeben, ſie allenthalben erfuͤllen zu koͤnnen und
als das fruchtbarſte Geſchoͤpf unter den edlern Thieren in allen
Klimaten als Stellvertreter der Elohim, als ſichtbare Vorſe-
hung, als wirkender Gott zu leben. Siehe da die aͤlteſte
Philoſophie der Menſchengeſchichte.

Und nun, da das Rad des Werdens bis zur letzten herr-
ſchenden Triebfeder vollendet war, ruhete Elohim und ſchuf
nicht weiter:
ja er iſt auf dem Schauplatz der Schoͤpfung
ſo verborgen, als ob alles ſich ſelbſt hervorgebracht haͤtte und
in nothwendigen Generationen ewig alſo geweſen waͤre. Das

letzte
S ſ 2
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[323/0335] anfaͤngt und ſich beim letzten edelſten Kunſtwerk der Elohim vollendet. Mit Freude und Verwunderung trete ich alſo vor die reiche Beſchreibung der Menſchenſchoͤpfung: denn ſie iſt der Jnhalt meines Buchs und gluͤcklicher Weiſe auch deſſen Sie- gel. Die Elohim rathſchlagen mit einander, und druͤcken dieſer Rathſchlagung Bild in den werdenden Menſchen: Ver- ſtand und Ueberlegung alſo iſt ſein auszeichnender Charakter. Sie bilden ihn zu ihrem Gleichniß und alle Morgenlaͤn- der ſetzen dies vorzuͤglich in der aufgerichteten Geſtalt des Koͤr- pers. Jhm ward der Charakter eingepraͤgt, zu herr- ſchen uͤber die Erde: ſeiner Gattung alſo ward der organi- ſche Vorzug gegeben, ſie allenthalben erfuͤllen zu koͤnnen und als das fruchtbarſte Geſchoͤpf unter den edlern Thieren in allen Klimaten als Stellvertreter der Elohim, als ſichtbare Vorſe- hung, als wirkender Gott zu leben. Siehe da die aͤlteſte Philoſophie der Menſchengeſchichte. Und nun, da das Rad des Werdens bis zur letzten herr- ſchenden Triebfeder vollendet war, ruhete Elohim und ſchuf nicht weiter: ja er iſt auf dem Schauplatz der Schoͤpfung ſo verborgen, als ob alles ſich ſelbſt hervorgebracht haͤtte und in nothwendigen Generationen ewig alſo geweſen waͤre. Das letzte S ſ 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/335>, abgerufen am 22.11.2024.