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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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Wasser werden; die Lebenswärme der Natur mußte also so weit
hin aufgeläutert so fein eßentiirt seyn, daß sie Menschenblut rö-
thete. Alle seine Gefäße und Fibern, sein Knochengebäude
selbst sollte von dem feinsten Thon gebildet werden und da die
Allmächtige nie ohne zweite Ursachen handelt: so mußte sie
sich dazu den Stof in die Hand gearbeitet haben. Selbst
die gröbere Thierschöpfung war sie durchgangen: wie und
wenn jedes entstehen konnte, entstand es: durch alle Pforten
drangen die Kräfte und arbeiteten sich zum Leben. Das Am-
monshorn war eher da als der Fisch: die Pflanze ging dem
Thier voran, das ohne sie auch nicht leben konnte: der Kro-
kodill und Kaiman schlich eher daher, als der weise Elephant
Kräuter las und seinen Rüßel schwenkte. Die Fleischfreßen-
den Thiere setzten eine zahlreiche, schon sehr vermehrte Familie
derer voraus, von denen sie sich nähren sollten; sie konnten
also auch mit diesen nicht auf einmal und in gleicher Anzahl
daseyn. Der Mensch also, wenn er der Bewohner der Erde
und ein Gebieter der Schöpfung seyn sollte, mußte sein Reich
und Wohnhaus fertig finden; nothwendig mußte er also auch
spät und in geringerer Anzahl erscheinen, als die so er beherr-
schen sollte. Hätte die Natur aus dem Stof ihrer Werkstäte
auf Erden etwas Höheres, Reineres und Schöneres als der
Mensch ist, hervorbringen können; warum sollte sie es nicht
gethan haben? Und daß sie es nicht gethan hat, zeigt, daß sie

mit

Waſſer werden; die Lebenswaͤrme der Natur mußte alſo ſo weit
hin aufgelaͤutert ſo fein eßentiirt ſeyn, daß ſie Menſchenblut roͤ-
thete. Alle ſeine Gefaͤße und Fibern, ſein Knochengebaͤude
ſelbſt ſollte von dem feinſten Thon gebildet werden und da die
Allmaͤchtige nie ohne zweite Urſachen handelt: ſo mußte ſie
ſich dazu den Stof in die Hand gearbeitet haben. Selbſt
die groͤbere Thierſchoͤpfung war ſie durchgangen: wie und
wenn jedes entſtehen konnte, entſtand es: durch alle Pforten
drangen die Kraͤfte und arbeiteten ſich zum Leben. Das Am-
monshorn war eher da als der Fiſch: die Pflanze ging dem
Thier voran, das ohne ſie auch nicht leben konnte: der Kro-
kodill und Kaiman ſchlich eher daher, als der weiſe Elephant
Kraͤuter las und ſeinen Ruͤßel ſchwenkte. Die Fleiſchfreßen-
den Thiere ſetzten eine zahlreiche, ſchon ſehr vermehrte Familie
derer voraus, von denen ſie ſich naͤhren ſollten; ſie konnten
alſo auch mit dieſen nicht auf einmal und in gleicher Anzahl
daſeyn. Der Menſch alſo, wenn er der Bewohner der Erde
und ein Gebieter der Schoͤpfung ſeyn ſollte, mußte ſein Reich
und Wohnhaus fertig finden; nothwendig mußte er alſo auch
ſpaͤt und in geringerer Anzahl erſcheinen, als die ſo er beherr-
ſchen ſollte. Haͤtte die Natur aus dem Stof ihrer Werkſtaͤte
auf Erden etwas Hoͤheres, Reineres und Schoͤneres als der
Menſch iſt, hervorbringen koͤnnen; warum ſollte ſie es nicht
gethan haben? Und daß ſie es nicht gethan hat, zeigt, daß ſie

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[287/0299] Waſſer werden; die Lebenswaͤrme der Natur mußte alſo ſo weit hin aufgelaͤutert ſo fein eßentiirt ſeyn, daß ſie Menſchenblut roͤ- thete. Alle ſeine Gefaͤße und Fibern, ſein Knochengebaͤude ſelbſt ſollte von dem feinſten Thon gebildet werden und da die Allmaͤchtige nie ohne zweite Urſachen handelt: ſo mußte ſie ſich dazu den Stof in die Hand gearbeitet haben. Selbſt die groͤbere Thierſchoͤpfung war ſie durchgangen: wie und wenn jedes entſtehen konnte, entſtand es: durch alle Pforten drangen die Kraͤfte und arbeiteten ſich zum Leben. Das Am- monshorn war eher da als der Fiſch: die Pflanze ging dem Thier voran, das ohne ſie auch nicht leben konnte: der Kro- kodill und Kaiman ſchlich eher daher, als der weiſe Elephant Kraͤuter las und ſeinen Ruͤßel ſchwenkte. Die Fleiſchfreßen- den Thiere ſetzten eine zahlreiche, ſchon ſehr vermehrte Familie derer voraus, von denen ſie ſich naͤhren ſollten; ſie konnten alſo auch mit dieſen nicht auf einmal und in gleicher Anzahl daſeyn. Der Menſch alſo, wenn er der Bewohner der Erde und ein Gebieter der Schoͤpfung ſeyn ſollte, mußte ſein Reich und Wohnhaus fertig finden; nothwendig mußte er alſo auch ſpaͤt und in geringerer Anzahl erſcheinen, als die ſo er beherr- ſchen ſollte. Haͤtte die Natur aus dem Stof ihrer Werkſtaͤte auf Erden etwas Hoͤheres, Reineres und Schoͤneres als der Menſch iſt, hervorbringen koͤnnen; warum ſollte ſie es nicht gethan haben? Und daß ſie es nicht gethan hat, zeigt, daß ſie mit

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/299>, abgerufen am 24.11.2024.