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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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führen mußte, wohin sie nicht wollte; so bald sie konnte, ging
sie ins Freie wieder und vollendete ihren vollkommenern Ty-
pus. Ganz anders, sobald die Misbildung genetisch war
und auf Wegen der Natur wirkte; hier vererbten sich Mis-
bildungen, selbst an einzelnen Gliedern. Sage man nicht,
daß Kunst oder die Sonne des Negers Nase geplattet habe.
Da die Bildung dieses Theils mit der Conformation des gan-
zen Schädels, des Kinns, des Halses, des Rückens zusam-
menhängt und das sproßende Rückenmark gleichsam der
Stamm des Baums ist, an dem sich die Brust und alle Glie-
der bilden: so zeigt die vergleichende Anatomie gnugsama),
daß die Verartung die ganze Gestalt angegriffen und sich kei-
ner dieser vesten Theile ändern konnte, ohne daß das Ganze
verändert wurde. Eben daher gehet die Negergestalt auch
erblich über und kann nur genetisch zurückverändert werden.
Setzet den Mohren nach Europa; er bleibt, was er ist: ver-
heirathet ihn aber mit einer Weißen und Eine Generation
wird verändern, was Jahrhunderte hindurch das bleichende
Klima nicht würde gethan haben. So ists mit den Bildun-
gen aller Völker; die Weltgegend verändert sie äusserst lang-
sam: durch die Vermischung mit fremden Nationen ver-

schwin-
a) S. Sömmering über die körperliche Verschiedenheit des Moh-
ren vom Europäer. Mainz 1784.

fuͤhren mußte, wohin ſie nicht wollte; ſo bald ſie konnte, ging
ſie ins Freie wieder und vollendete ihren vollkommenern Ty-
pus. Ganz anders, ſobald die Misbildung genetiſch war
und auf Wegen der Natur wirkte; hier vererbten ſich Mis-
bildungen, ſelbſt an einzelnen Gliedern. Sage man nicht,
daß Kunſt oder die Sonne des Negers Naſe geplattet habe.
Da die Bildung dieſes Theils mit der Conformation des gan-
zen Schaͤdels, des Kinns, des Halſes, des Ruͤckens zuſam-
menhaͤngt und das ſproßende Ruͤckenmark gleichſam der
Stamm des Baums iſt, an dem ſich die Bruſt und alle Glie-
der bilden: ſo zeigt die vergleichende Anatomie gnugſama),
daß die Verartung die ganze Geſtalt angegriffen und ſich kei-
ner dieſer veſten Theile aͤndern konnte, ohne daß das Ganze
veraͤndert wurde. Eben daher gehet die Negergeſtalt auch
erblich uͤber und kann nur genetiſch zuruͤckveraͤndert werden.
Setzet den Mohren nach Europa; er bleibt, was er iſt: ver-
heirathet ihn aber mit einer Weißen und Eine Generation
wird veraͤndern, was Jahrhunderte hindurch das bleichende
Klima nicht wuͤrde gethan haben. So iſts mit den Bildun-
gen aller Voͤlker; die Weltgegend veraͤndert ſie aͤuſſerſt lang-
ſam: durch die Vermiſchung mit fremden Nationen ver-

ſchwin-
a) S. Soͤmmering uͤber die koͤrperliche Verſchiedenheit des Moh-
ren vom Europaͤer. Mainz 1784.
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[112/0124] fuͤhren mußte, wohin ſie nicht wollte; ſo bald ſie konnte, ging ſie ins Freie wieder und vollendete ihren vollkommenern Ty- pus. Ganz anders, ſobald die Misbildung genetiſch war und auf Wegen der Natur wirkte; hier vererbten ſich Mis- bildungen, ſelbſt an einzelnen Gliedern. Sage man nicht, daß Kunſt oder die Sonne des Negers Naſe geplattet habe. Da die Bildung dieſes Theils mit der Conformation des gan- zen Schaͤdels, des Kinns, des Halſes, des Ruͤckens zuſam- menhaͤngt und das ſproßende Ruͤckenmark gleichſam der Stamm des Baums iſt, an dem ſich die Bruſt und alle Glie- der bilden: ſo zeigt die vergleichende Anatomie gnugſam a), daß die Verartung die ganze Geſtalt angegriffen und ſich kei- ner dieſer veſten Theile aͤndern konnte, ohne daß das Ganze veraͤndert wurde. Eben daher gehet die Negergeſtalt auch erblich uͤber und kann nur genetiſch zuruͤckveraͤndert werden. Setzet den Mohren nach Europa; er bleibt, was er iſt: ver- heirathet ihn aber mit einer Weißen und Eine Generation wird veraͤndern, was Jahrhunderte hindurch das bleichende Klima nicht wuͤrde gethan haben. So iſts mit den Bildun- gen aller Voͤlker; die Weltgegend veraͤndert ſie aͤuſſerſt lang- ſam: durch die Vermiſchung mit fremden Nationen ver- ſchwin- a) S. Soͤmmering uͤber die koͤrperliche Verſchiedenheit des Moh- ren vom Europaͤer. Mainz 1784.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/124>, abgerufen am 27.11.2024.