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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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ihnen) sind in einer ewigen Bewegung. Das Meer dunstet
aus; die Berge ziehen an und gießen Regen und Ströme zu
beiden Seiten hinunter. So lösen die Winde einander ab:
so erfüllen Jahre oder Jahrreihen die Summe ihrer klimati-
schen Tage. So heben und tragen einander die verschiednen
Gegenden und Zeiten; alles auf unsrer Kugel steht in ge-
meinsamer Verbindung. Wäre die Erde platt oder hätte sie
die Winkelgestalt, von der die Sinesen träumten; freilich so
könnte sie in ihren Ecken die klimatischen Ungestalten nähren,
von denen jetzt ihr regelmäßiger Bau und seine mittheilende
Bewegung nichts weiß. Um den Thron Jupiters tanzen ih-
re Horen im Reihentanz und was sich unter ihren Füßen bil-
det, ist zwar nur eine unvollkommene Vollkommenheit, weil
Alles auf die Vereinigung verschiedenartiger Dinge gebauet
ist; aber durch eine innre Liebe und Vermählung mit einander
wird allenthalben das Kind der Natur gebohren, sinnliche Regel-
mäßigkeit und Schönheit.

2. Das bewohnbare Land unsrer Erde ist in Ge-
genden zusammengedrängt, wo die meisten lebendigen
Wesen in der ihnen gnügsamsten Form wirken; diese
Lage der Welttheile hat Einfluß auf ihrer aller Klima.

Warum fängt im südlichen Hemisphär die Kälte schon so nahe
der Linie an? der Naturphilosoph antwortet: "weil daselbst

so

ihnen) ſind in einer ewigen Bewegung. Das Meer dunſtet
aus; die Berge ziehen an und gießen Regen und Stroͤme zu
beiden Seiten hinunter. So loͤſen die Winde einander ab:
ſo erfuͤllen Jahre oder Jahrreihen die Summe ihrer klimati-
ſchen Tage. So heben und tragen einander die verſchiednen
Gegenden und Zeiten; alles auf unſrer Kugel ſteht in ge-
meinſamer Verbindung. Waͤre die Erde platt oder haͤtte ſie
die Winkelgeſtalt, von der die Sineſen traͤumten; freilich ſo
koͤnnte ſie in ihren Ecken die klimatiſchen Ungeſtalten naͤhren,
von denen jetzt ihr regelmaͤßiger Bau und ſeine mittheilende
Bewegung nichts weiß. Um den Thron Jupiters tanzen ih-
re Horen im Reihentanz und was ſich unter ihren Fuͤßen bil-
det, iſt zwar nur eine unvollkommene Vollkommenheit, weil
Alles auf die Vereinigung verſchiedenartiger Dinge gebauet
iſt; aber durch eine innre Liebe und Vermaͤhlung mit einander
wird allenthalben das Kind der Natur gebohren, ſinnliche Regel-
maͤßigkeit und Schoͤnheit.

2. Das bewohnbare Land unſrer Erde iſt in Ge-
genden zuſammengedraͤngt, wo die meiſten lebendigen
Weſen in der ihnen gnuͤgſamſten Form wirken; dieſe
Lage der Welttheile hat Einfluß auf ihrer aller Klima.

Warum faͤngt im ſuͤdlichen Hemiſphaͤr die Kaͤlte ſchon ſo nahe
der Linie an? der Naturphiloſoph antwortet: “weil daſelbſt

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[100/0112] ihnen) ſind in einer ewigen Bewegung. Das Meer dunſtet aus; die Berge ziehen an und gießen Regen und Stroͤme zu beiden Seiten hinunter. So loͤſen die Winde einander ab: ſo erfuͤllen Jahre oder Jahrreihen die Summe ihrer klimati- ſchen Tage. So heben und tragen einander die verſchiednen Gegenden und Zeiten; alles auf unſrer Kugel ſteht in ge- meinſamer Verbindung. Waͤre die Erde platt oder haͤtte ſie die Winkelgeſtalt, von der die Sineſen traͤumten; freilich ſo koͤnnte ſie in ihren Ecken die klimatiſchen Ungeſtalten naͤhren, von denen jetzt ihr regelmaͤßiger Bau und ſeine mittheilende Bewegung nichts weiß. Um den Thron Jupiters tanzen ih- re Horen im Reihentanz und was ſich unter ihren Fuͤßen bil- det, iſt zwar nur eine unvollkommene Vollkommenheit, weil Alles auf die Vereinigung verſchiedenartiger Dinge gebauet iſt; aber durch eine innre Liebe und Vermaͤhlung mit einander wird allenthalben das Kind der Natur gebohren, ſinnliche Regel- maͤßigkeit und Schoͤnheit. 2. Das bewohnbare Land unſrer Erde iſt in Ge- genden zuſammengedraͤngt, wo die meiſten lebendigen Weſen in der ihnen gnuͤgſamſten Form wirken; dieſe Lage der Welttheile hat Einfluß auf ihrer aller Klima. Warum faͤngt im ſuͤdlichen Hemiſphaͤr die Kaͤlte ſchon ſo nahe der Linie an? der Naturphiloſoph antwortet: “weil daſelbſt ſo

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/112>, abgerufen am 27.11.2024.