so wenig Land ist; daher die kalten Winde und Eisschollen des Südpols weit hinauf strömen;" wir sehen also unser Schick- sal, wenn das ganze veste Land der Erde in Jnseln umherge- worfen wäre. Jetzt wärmen sich drei zusammenhangende Welttheile an einander; das vierte, das ihnen entfernt liegt, ist auch aus dieser Ursache kälter und im Südmeer fängt, bald jenseit der Linie, mit dem Mangel des Landes auch Mis- gestalt und Verartung an. Wenigere Geschlechter vollkom- menerer Landthiere sollten also daselbst leben; das Südhemi- sphär war zum großen Wasserbehältniß unsrer Kugel bestimmt, damit das Nordhemisphär ein besseres Klima genösse. Auch geographisch und klimatisch sollte das Menschengeschlecht ein zusammenwohnendes, nachbarliches Volk seyn, das so wie Pest, Krankheiten und klimatische Laster auch klimatische Wär- me und andre Wohlthaten einander schenkte.
3. Durch den Bau der Erde an die Gebürge ward nicht nur für das große Mancherlei der Leben- digen das Klima derselben zahllos verändert: sondern auch die Ausartung des Menschengeschlechts verhütet, wie sie verhütet werden konnte. Berge waren der Erde nöthig; aber nur Einen Bergrücken der Mogolen und Tibe- taner giebts auf derselben; die hohen Cordilleras und so viel andre ihrer Brüder sind unbewohnbar. Auch öde Wüsten
wurden
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ſo wenig Land iſt; daher die kalten Winde und Eisſchollen des Suͤdpols weit hinauf ſtroͤmen;“ wir ſehen alſo unſer Schick- ſal, wenn das ganze veſte Land der Erde in Jnſeln umherge- worfen waͤre. Jetzt waͤrmen ſich drei zuſammenhangende Welttheile an einander; das vierte, das ihnen entfernt liegt, iſt auch aus dieſer Urſache kaͤlter und im Suͤdmeer faͤngt, bald jenſeit der Linie, mit dem Mangel des Landes auch Mis- geſtalt und Verartung an. Wenigere Geſchlechter vollkom- menerer Landthiere ſollten alſo daſelbſt leben; das Suͤdhemi- ſphaͤr war zum großen Waſſerbehaͤltniß unſrer Kugel beſtimmt, damit das Nordhemiſphaͤr ein beſſeres Klima genoͤſſe. Auch geographiſch und klimatiſch ſollte das Menſchengeſchlecht ein zuſammenwohnendes, nachbarliches Volk ſeyn, das ſo wie Peſt, Krankheiten und klimatiſche Laſter auch klimatiſche Waͤr- me und andre Wohlthaten einander ſchenkte.
3. Durch den Bau der Erde an die Gebuͤrge ward nicht nur fuͤr das große Mancherlei der Leben- digen das Klima derſelben zahllos veraͤndert: ſondern auch die Ausartung des Menſchengeſchlechts verhuͤtet, wie ſie verhuͤtet werden konnte. Berge waren der Erde noͤthig; aber nur Einen Bergruͤcken der Mogolen und Tibe- taner giebts auf derſelben; die hohen Cordilleras und ſo viel andre ihrer Bruͤder ſind unbewohnbar. Auch oͤde Wuͤſten
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ſo wenig Land iſt; daher die kalten Winde und Eisſchollen des
Suͤdpols weit hinauf ſtroͤmen;“ wir ſehen alſo unſer Schick-
ſal, wenn das ganze veſte Land der Erde in Jnſeln umherge-
worfen waͤre. Jetzt waͤrmen ſich drei zuſammenhangende
Welttheile an einander; das vierte, das ihnen entfernt liegt,
iſt auch aus dieſer Urſache kaͤlter und im Suͤdmeer faͤngt,
bald jenſeit der Linie, mit dem Mangel des Landes auch Mis-
geſtalt und Verartung an. Wenigere Geſchlechter vollkom-
menerer Landthiere ſollten alſo daſelbſt leben; das Suͤdhemi-
ſphaͤr war zum großen Waſſerbehaͤltniß unſrer Kugel beſtimmt,
damit das Nordhemiſphaͤr ein beſſeres Klima genoͤſſe. Auch
geographiſch und klimatiſch ſollte das Menſchengeſchlecht ein
zuſammenwohnendes, nachbarliches Volk ſeyn, das ſo wie
Peſt, Krankheiten und klimatiſche Laſter auch klimatiſche Waͤr-
me und andre Wohlthaten einander ſchenkte.
3. Durch den Bau der Erde an die Gebuͤrge
ward nicht nur fuͤr das große Mancherlei der Leben-
digen das Klima derſelben zahllos veraͤndert: ſondern
auch die Ausartung des Menſchengeſchlechts verhuͤtet,
wie ſie verhuͤtet werden konnte. Berge waren der Erde
noͤthig; aber nur Einen Bergruͤcken der Mogolen und Tibe-
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/113>, abgerufen am 02.05.2024.
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