stehen geblieben. Hier fand also die Tradition so leicht ihren Weg und konnte durch neue Traditionen aus derselben oder einer andern Gegend verstärkt werden. Hier wurzelte also alles so tief, Religion, Vateransehen, Despotismus! Je näher nach Asien, destomehr sind diese Dinge als alte ewige Sitte zu Hause und ohngeachtet aller Verschiedenheiten ein- zelner Staaten sind sie über das ganze Südasien gebreitet. Das nördliche, das durch hohe Bergmauern von jenem ge- schieden ist, hat sich in seinen vielen Nationen anders, aber Trotz aller Verschiedenheit der Völker unter sich, auf einen eben so einförmigen Fuß gebildet. Der ungeheuerste Strich der Erde, die Tartarei, wimmelt von Nationen verschiedner Abkunft, die doch beinah alle auf Einer Stufe der Cultur stehen: denn kein Meer trennt sie: sie tummeln sich alle um- her auf einer großen Nordwärts- hinabgesenkten Tafel.
Dagegen, was macht das kleine rothe Meer für Unter- scheidung! Die Abessinier sind ein Arabischer Völkerstamm, die Aegypter ein Asiatisches Volk: und welch eine andre Welt von Sitten und Lebensweise errichtete sich unter ihnen! An den untersten Ecken von Asien zeigt sich ein gleiches. Der kleine persische Meerbusen, wie sehr trennt er Arabien und Persien! Der kleine malayische Sinus, wie sehr un- terscheidet er die Malayen und Kambojer von einander!
Bei
ſtehen geblieben. Hier fand alſo die Tradition ſo leicht ihren Weg und konnte durch neue Traditionen aus derſelben oder einer andern Gegend verſtaͤrkt werden. Hier wurzelte alſo alles ſo tief, Religion, Vateranſehen, Deſpotiſmus! Je naͤher nach Aſien, deſtomehr ſind dieſe Dinge als alte ewige Sitte zu Hauſe und ohngeachtet aller Verſchiedenheiten ein- zelner Staaten ſind ſie uͤber das ganze Suͤdaſien gebreitet. Das noͤrdliche, das durch hohe Bergmauern von jenem ge- ſchieden iſt, hat ſich in ſeinen vielen Nationen anders, aber Trotz aller Verſchiedenheit der Voͤlker unter ſich, auf einen eben ſo einfoͤrmigen Fuß gebildet. Der ungeheuerſte Strich der Erde, die Tartarei, wimmelt von Nationen verſchiedner Abkunft, die doch beinah alle auf Einer Stufe der Cultur ſtehen: denn kein Meer trennt ſie: ſie tummeln ſich alle um- her auf einer großen Nordwaͤrts- hinabgeſenkten Tafel.
Dagegen, was macht das kleine rothe Meer fuͤr Unter- ſcheidung! Die Abeſſinier ſind ein Arabiſcher Voͤlkerſtamm, die Aegypter ein Aſiatiſches Volk: und welch eine andre Welt von Sitten und Lebensweiſe errichtete ſich unter ihnen! An den unterſten Ecken von Aſien zeigt ſich ein gleiches. Der kleine perſiſche Meerbuſen, wie ſehr trennt er Arabien und Perſien! Der kleine malayiſche Sinus, wie ſehr un- terſcheidet er die Malayen und Kambojer von einander!
Bei
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0066"n="44"/>ſtehen geblieben. Hier fand alſo die Tradition ſo leicht ihren<lb/>
Weg und konnte durch neue Traditionen aus derſelben oder<lb/>
einer andern Gegend verſtaͤrkt werden. Hier wurzelte alſo<lb/>
alles ſo tief, Religion, Vateranſehen, Deſpotiſmus! Je<lb/>
naͤher nach Aſien, deſtomehr ſind dieſe Dinge als alte ewige<lb/>
Sitte zu Hauſe und ohngeachtet aller Verſchiedenheiten ein-<lb/>
zelner Staaten ſind ſie uͤber das ganze Suͤdaſien gebreitet.<lb/>
Das noͤrdliche, das durch hohe Bergmauern von jenem ge-<lb/>ſchieden iſt, hat ſich in ſeinen vielen Nationen anders, aber<lb/>
Trotz aller Verſchiedenheit der Voͤlker unter ſich, auf einen<lb/>
eben ſo einfoͤrmigen Fuß gebildet. Der ungeheuerſte Strich<lb/>
der Erde, die Tartarei, wimmelt von Nationen verſchiedner<lb/>
Abkunft, die doch beinah alle auf Einer Stufe der Cultur<lb/>ſtehen: denn kein Meer trennt ſie: ſie tummeln ſich alle um-<lb/>
her auf einer großen Nordwaͤrts- hinabgeſenkten Tafel.</p><lb/><p>Dagegen, was macht das kleine rothe Meer fuͤr Unter-<lb/>ſcheidung! Die Abeſſinier ſind ein Arabiſcher Voͤlkerſtamm,<lb/>
die Aegypter ein Aſiatiſches Volk: und welch eine andre<lb/>
Welt von Sitten und Lebensweiſe errichtete ſich unter ihnen!<lb/>
An den unterſten Ecken von Aſien zeigt ſich ein gleiches.<lb/>
Der kleine perſiſche Meerbuſen, wie ſehr trennt er Arabien<lb/>
und Perſien! Der kleine malayiſche Sinus, wie ſehr un-<lb/>
terſcheidet er die Malayen und Kambojer von einander!<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Bei</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[44/0066]
ſtehen geblieben. Hier fand alſo die Tradition ſo leicht ihren
Weg und konnte durch neue Traditionen aus derſelben oder
einer andern Gegend verſtaͤrkt werden. Hier wurzelte alſo
alles ſo tief, Religion, Vateranſehen, Deſpotiſmus! Je
naͤher nach Aſien, deſtomehr ſind dieſe Dinge als alte ewige
Sitte zu Hauſe und ohngeachtet aller Verſchiedenheiten ein-
zelner Staaten ſind ſie uͤber das ganze Suͤdaſien gebreitet.
Das noͤrdliche, das durch hohe Bergmauern von jenem ge-
ſchieden iſt, hat ſich in ſeinen vielen Nationen anders, aber
Trotz aller Verſchiedenheit der Voͤlker unter ſich, auf einen
eben ſo einfoͤrmigen Fuß gebildet. Der ungeheuerſte Strich
der Erde, die Tartarei, wimmelt von Nationen verſchiedner
Abkunft, die doch beinah alle auf Einer Stufe der Cultur
ſtehen: denn kein Meer trennt ſie: ſie tummeln ſich alle um-
her auf einer großen Nordwaͤrts- hinabgeſenkten Tafel.
Dagegen, was macht das kleine rothe Meer fuͤr Unter-
ſcheidung! Die Abeſſinier ſind ein Arabiſcher Voͤlkerſtamm,
die Aegypter ein Aſiatiſches Volk: und welch eine andre
Welt von Sitten und Lebensweiſe errichtete ſich unter ihnen!
An den unterſten Ecken von Aſien zeigt ſich ein gleiches.
Der kleine perſiſche Meerbuſen, wie ſehr trennt er Arabien
und Perſien! Der kleine malayiſche Sinus, wie ſehr un-
terſcheidet er die Malayen und Kambojer von einander!
Bei
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/66>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.