nisten, wo sie gebohren sind, und das schlechteste, rauheste Vaterland hat oft für den Menschenstamm, der sich daran gewöhnte, die ziehendsten Fesseln.
Fragen wir also: wo ist das Vaterland der Menschen? wo ist der Mittelpunkt der Erde? so wird überall die Ant- wort seyn können: hier, wo du stehest! es sei nahe dem be- eisten Pol oder gerade unter der brennenden Mittagssonne. Ueberall wo Menschen leben können, leben Menschen und sie können fast überall leben. Da die große Mutter auf unsrer Erde kein ewiges Einerlei hervorbringen konnte noch mochte: so war kein andres Mittel, als daß sie das ungeheuerste Vie- lerlei hervortrieb und den Menschen aus einem Stoff webte, dies große Vielerlei zu ertragen. Späterhin werden wir ei- ne schöne Stuffenleiter finden, wie sich, nachdem die Kunst der Organisation in einem Geschöpf zunimmt, auch die Fä- higkeit desselben vermehret, mancherlei Zustände auszudauern und sich nach jedem derselben zu bilden. Unter allen diesen veränderlichen, ziehbaren, empfänglichen Geschöpfen ist der Mensch das empfänglichste: die ganze Erde ist für ihn ge- macht, Er für die ganze Erde.
Lasset uns also, wenn wir über die Geschichte unsres Ge- schlechts philosophiren wollen, so viel möglich alle enge Ge-
danken-
D
niſten, wo ſie gebohren ſind, und das ſchlechteſte, rauheſte Vaterland hat oft fuͤr den Menſchenſtamm, der ſich daran gewoͤhnte, die ziehendſten Feſſeln.
Fragen wir alſo: wo iſt das Vaterland der Menſchen? wo iſt der Mittelpunkt der Erde? ſo wird uͤberall die Ant- wort ſeyn koͤnnen: hier, wo du ſteheſt! es ſei nahe dem be- eiſten Pol oder gerade unter der brennenden Mittagsſonne. Ueberall wo Menſchen leben koͤnnen, leben Menſchen und ſie koͤnnen faſt uͤberall leben. Da die große Mutter auf unſrer Erde kein ewiges Einerlei hervorbringen konnte noch mochte: ſo war kein andres Mittel, als daß ſie das ungeheuerſte Vie- lerlei hervortrieb und den Menſchen aus einem Stoff webte, dies große Vielerlei zu ertragen. Spaͤterhin werden wir ei- ne ſchoͤne Stuffenleiter finden, wie ſich, nachdem die Kunſt der Organiſation in einem Geſchoͤpf zunimmt, auch die Faͤ- higkeit deſſelben vermehret, mancherlei Zuſtaͤnde auszudauern und ſich nach jedem derſelben zu bilden. Unter allen dieſen veraͤnderlichen, ziehbaren, empfaͤnglichen Geſchoͤpfen iſt der Menſch das empfaͤnglichſte: die ganze Erde iſt fuͤr ihn ge- macht, Er fuͤr die ganze Erde.
Laſſet uns alſo, wenn wir uͤber die Geſchichte unſres Ge- ſchlechts philoſophiren wollen, ſo viel moͤglich alle enge Ge-
danken-
D
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niſten, wo ſie gebohren ſind, und das ſchlechteſte, rauheſte
Vaterland hat oft fuͤr den Menſchenſtamm, der ſich daran
gewoͤhnte, die ziehendſten Feſſeln.
Fragen wir alſo: wo iſt das Vaterland der Menſchen?
wo iſt der Mittelpunkt der Erde? ſo wird uͤberall die Ant-
wort ſeyn koͤnnen: hier, wo du ſteheſt! es ſei nahe dem be-
eiſten Pol oder gerade unter der brennenden Mittagsſonne.
Ueberall wo Menſchen leben koͤnnen, leben Menſchen und ſie
koͤnnen faſt uͤberall leben. Da die große Mutter auf unſrer
Erde kein ewiges Einerlei hervorbringen konnte noch mochte:
ſo war kein andres Mittel, als daß ſie das ungeheuerſte Vie-
lerlei hervortrieb und den Menſchen aus einem Stoff webte,
dies große Vielerlei zu ertragen. Spaͤterhin werden wir ei-
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der Organiſation in einem Geſchoͤpf zunimmt, auch die Faͤ-
higkeit deſſelben vermehret, mancherlei Zuſtaͤnde auszudauern
und ſich nach jedem derſelben zu bilden. Unter allen dieſen
veraͤnderlichen, ziehbaren, empfaͤnglichen Geſchoͤpfen iſt der
Menſch das empfaͤnglichſte: die ganze Erde iſt fuͤr ihn ge-
macht, Er fuͤr die ganze Erde.
Laſſet uns alſo, wenn wir uͤber die Geſchichte unſres Ge-
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/47>, abgerufen am 24.11.2024.
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